Die unbekannte Schulministerin

von Redaktion

VON DIRK WALTER UND MIKE SCHIER

München – Der entscheidende Tag in der Karriere der zukünftigen Kultusministerin Anna Stolz war vielleicht der 29. März dieses Jahres. Haushaltsberatung im Landtag. Der Etat des Kultusministeriums stand zur Beratung an. Doch wie es der Zufall so will, Michael Piazolo war krank – seine Staatssekretärin sprang ein. Und wie.

Anna Stolz hielt eine fulminante Rede über die Bildungspolitik, verteidigte die Initiativen ihres Hauses, lederte gegen die Opposition. Kräftiger Applaus von ihrer Freie-Wähler-Fraktion – „ich hoffe, der Kultusminister wird nicht neidisch, so viel Applaus hat er in diesem Haus noch nie bekommen“, höhnte ein Grünen-Politiker.

Anna wer? – diese Frage hatte man bis dahin öfters gehört. Der Presse ging sie eher aus dem Weg. Da hatte selbst die Nachricht, das die neue Ministerin den Angelschein macht, Neuigkeitswert. Ihre Berufung zur Staatssekretärin vor fünf Jahren war eine Überraschung, ihr jetziger Aufstieg ist es ebenso. „Ich war durchaus überrascht“, sagt die neue Ministerin unserer Zeitung. Ungewöhnlich: Parteichef Hubert Aiwanger hatte vor der Bekanntgabe der Minister in der Fraktion abstimmen lassen, was er nicht muss. Aber Anna Stolz sagt, sie freue sich jetzt „über diese Rückendeckung“. Heißt wohl: Ihre Berufung findet Zustimmung.

Dabei war die Juristin und Lehrerstochter – von 2014 bis 2018 parteifreie Bürgermeisterin von Arnstein (Kreis Main-Spessart) – erst im Jahr 2018 kurz vor ihrer Landtagskandidatur den Freien Wählern beigetreten. Auch auf Anraten des dortigen ehemaligen Landrats Armin Grein, vor Aiwanger FW-Landeschef. Anna Stolz nennt Grein „einen politischen Ziehvater“. Er war auch jetzt einer der ersten Gratulanten.

Es wird ein Sprung für die 40-Jährige: Staatssekretäre haben traditionell die Aufgabe, das Haus bei weniger öffentlichkeitswirksamen Auftritten zu vertreten. Verabschiedung von Schulleitern, Begrüßung des Neuen, solche Dinge. Raum für eigene Akzente bleibt da kaum. Aber, so sagt Anna Stolz, da sei „ein Netzwerk“ entstanden. Es gibt viele Lehrer und Schulleiter, die sie in schulpolitischen Fragen um Rat fragen kann. Nebeneffekt: So könnte sie sich vom Verbandslobbyismus freischwimmen.

Die Intellektualität eines Michael Piazolo werde fehlen, sagen manche Verbandsvertreter, die sie „noch nie“ getroffen haben. Aber Stolz habe andere Stärken, sagen andere. Sie könne emotional sein, sie könne mit Verve argumentieren, sie habe „Herzensanliegen“. „Sie ist eine offene Persönlichkeit und weiß um unsere Anliegen“, sagt Simone Fleischmann vom BLLV. Die Inklusion behinderter Kinder, Sport und Bewegung – es sind auch solche Themen, die Stolz „voranbringen“ will, wie sie sagt. Nicht gerade hilfreich ist es da, dass dem Kultusministerium der Staatssekretär geraubt wurde. „Das sehe ich auch so“, sagt Anna Stolz rundheraus. Noch nie in der Nachkriegszeit habe es im Ministerium keinen Staatssekretär gegeben. Da warte eine Organisationsaufgabe.

Die Ansprüche sind gewaltig. 9000 neue Lehrer sollen angestellt werden – besser gesagt: Sie müssen gefunden werden. Und eine Vorgabe im Koalitionsvertrag lautet, die Vermittlung von Alltagskompetenzen „im Rahmen eines Schulfachs“ umzusetzen. Wie denn das mit der versprochenen Entlastung der Lehrer zusammenpasse, fragt Philologen-Chef Michael Schwägerl schon spitz. Stolz sagt, es seien „mehrere Umsetzungsvarianten“ denkbar, neben einem Fach auch eine Ausweitung von Projektwochen. Gut möglich, dass die neue Ministerin wieder Klartext sprechen muss. So wie damals am 29. März 2023.

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