„Ich sehe uns als Regierungspartei im Wartestand“

von Redaktion

INTERVIEW Katharina Schulze erklärt, wie sie sich die Rolle der Grünen im neuen Landtag vorstellt

Katharina Schulze (38) führt künftig allein die Grünen im Landtag. Ein Gespräch zum Auftakt in die Legislatur.

Haben Sie sich vom Wahlergebnis schon erholt?

Ehrlich gesagt nicht (seufzt). Ich habe schon einige Wahlkämpfe mitgemacht, aber das war der eindeutig härteste. Der Aufstieg der AfD hat mich nächtelang schlecht schlafen lassen.

Ihr Ergebnis. . .

. . . war zwar das zweitbeste der Geschichte. Aber unser Ziel, Regierungsverantwortung zu übernehmen, haben wir nicht erreicht. Die Fehleranalyse war intensiv.

Mit welchem Ergebnis?

Wir haben es nicht geschafft, mit unseren bayerischen Themen durchzudringen. Für uns Grüne ist es zudem sehr, sehr bitter, dass wir auf dem Land verloren haben. Und dann waren die Streitereien der Ampel – höflich formuliert – auch nicht hilfreich. Dazu noch die Mitbewerber, die mit falschen Behauptungen um die Ecke kamen: Fleischverbot, Genderzwang und solcher Unsinn.

Aber die Grünen in Berlin lieferten fleißig Vorlagen. Die scheinen ihre Agenda durchdrücken zu wollen.

Beim Heizungsgesetz beispielsweise ist Vertrauen kaputtgegangen, das wir uns jetzt mühsam wieder erarbeiten müssen.

Markus Söder hat die Grünen zu seinem Thema gemacht . . .

. . . und er wurde dafür abgestraft. Als Amtsinhaber und in einer für die Ampel-Parteien sehr schwierigen Stimmung hat er 0,2 Prozent weniger geholt als 2018. Mich wundert, dass die CSU wenig darüber spricht. Der Markenkern der CSU, klar bessere Ergebnisse als die CDU einzufahren, ist weg. Söders Wahlkampf hat zu einem Rechtsrutsch in Bayern geführt, von dem er nicht profitiert hat.

Die AfD legte deutlich zu.

Da sitzen jetzt aktive und ehemalige Burschenschaftler im Landtag, gegen die wegen Volksverhetzung ermittelt wird. Auch Verschwörungsideologen. Furchtbar.

Was macht das mit dem Landtag?

Es wird noch rauer. Die AfD hat sich fünf Jahre lang als Chaos- und Krawalltruppe hervorgetan. Es gab ja keine inhaltlichen Debatten. Die AfD nutzt nur die Bühne des Landtags, um ihre Eklats zu inszenieren. Das sollte alle Demokraten beunruhigen.

Die FDP ist raus, die SPD weiter geschrumpft. Wo sehen Sie Ihre künftige Rolle im Landtag?

Wir wollen Orientierungspartei sein. Die Leute spüren, dass es viele Veränderungen in unserem Leben gibt. Wir bieten Lösungen an. Der Koalitionsvertrag ist dagegen nur ein kraftloses Weiter-so.

Dieses Weiter-so wurde auch gewählt.

Es mag im ersten Moment beruhigend klingen. Aber wer unsere Demokratie und unseren Wohlstand erhalten will, muss unsere Wirtschaft zukunftsfest aufstellen und unser Bildungssystem auf neue Füße stellen. Stattdessen bekommt Bayern das Programm von 2018, neu zusammengeschrieben.

Wie wollen Sie als Oppositionsführerin mit der Koalition umgehen?

Ich sehe uns als Regierungspartei im Wartestand. Mein Ziel ist es, dass wir in fünf Jahren Verantwortung übernehmen. Bis dahin gibt es von uns klare Oppositionsarbeit. Wir sprechen Missstände deutlich an, sind dabei aber seriös, konstruktiv und stellen unsere Ideen nach vorne.

Wie wollen Sie Markus Söder überzeugen?

Er hat sich jetzt erst einmal entschieden. Der Start war mehr als holprig. Ich finde es sehr irritierend, wenn sich Koalitionspartner in einer Präambel versichern müssen, dass sie auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.

Hubert Aiwanger ist jetzt auch für Jagd zuständig.

Das ist doch politisches Kabarett! Die bayerische Wirtschaft steht vor gigantischen Herausforderungen – und der Minister hat nichts anderes zu tun, als sich sein Hobby ins Haus zu holen. Absurd.

Interview: M. Schier/K. Braun

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