Der Kanzler auf Afrika-Mission

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Als Angela Merkel ein paar Wochen vor dem Ende ihrer Amtszeit im Jahr 2021 zur „Compact-with-Africa“-Konferenz einlud, wurde das Ende einer Ära befürchtet. Viele afrikanische Staatschefs fanden freundliche Worte zum Abschied – und fragten sich, wie es mit dem nächsten Kanzler weitergehen wird. Weder Merkel noch CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller würden der neuen Regierung angehören. Dabei galten sie als Architekten der neuen deutschen Afrika-Politik. Die Sorge, dass der Kontinent künftig eine kleinere Rolle in der deutschen Politik spielen könnte, war groß.

Nun, zwei Jahre später, ist Kanzler Olaf Scholz bereits zu seiner dritten großen Afrika-Reise seit Beginn seiner Amtszeit aufgebrochen. Gestern Nachmittag kam er in Nigeria an, wo er in der Hauptstadt Abuja von Präsident Bola Ahmed Tinubu empfangen wurde. Heute Abend geht es nach Ghana. Und er ist nicht als einziger Spitzenpolitiker Deutschlands auf dem Kontinent unterwegs: Während Innenministerin Nancy Faeser heute für Verhandlungen zu Migrationsabkommen nach Marokko reist, baut Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Sambia und Tansania Partnerschaften aus. Mit ihren Afrika-Touren wollen die drei SPDler zeigen, dass der Nachbarkontinent auch während der Kriege in der Ukraine und in Nahost keine Randnotiz in der deutschen Außenpolitik ist.

Im westafrikanischen Nigeria geht es Scholz vor allem um Öl und Gas. „Nigeria verfügt über die größten Gasvorkommen in Afrika“, sagte der Kanzler der nigerianischen Zeitung „The Punch“. „Künftig wird auch Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen“, fügte er hinzu. Nigeria hat sich seit dem Ende einer Militärdiktatur 1999 als eine der stabilsten Demokratien der von Putschen heimgesuchten Region erwiesen und gilt als bevölkerungsreichstes sowie wirtschaftsstärkstes Land Afrikas – es erwirtschaftet ein größeres Bruttoinlandsprodukt (BIP) als alle anderen Staaten Westafrikas zusammen. Doch obwohl der Staat der größte Öl- und Gasproduzent Afrikas ist, müssen wegen maroder Raffinerien Benzin und Diesel teuer importiert werden. Nigeria rutscht immer tiefer in eine Wirtschaftskrise, die Einwohnerzahl wächst rasant, Experten warnen vor steigender Armut und sozialen Unruhen. Nach UN-Angaben sind knapp 3,5 Millionen Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht, 300 000 nigerianische Flüchtlinge befinden sich in den Nachbarländern Niger und Kamerun.

Eine Stabilisierung des Landes dürfte auch im Interesse des Kanzlers sein. Scholz will in eine „ganze Bandbreite an Sektoren“ investieren, sagte er „The Punch“. Ihn begleiten diverse Unternehmer aus der Logistik-, Energie- und Baubranche auf seiner Reise. Heute besucht er in der Wirtschaftsmetropole Lagos auch das deutsch-nigerianische Migrationszentrum, das unter anderem zur Unterstützung von Menschen bei der Jobsuche gegründet wurde, die aus Deutschland nach Nigeria zurückkehren. Hier dürften auch mögliche Migrationsabkommen eine wichtige Rolle spielen.

Viele Jahre beantragten jährlich tausende Flüchtlinge aus Nigeria in Deutschland Asyl. Zuletzt gehörte Nigeria aber nicht mehr zu den zehn Herkunftsländern bei den Erstanträgen. Von Januar bis September dieses Jahres wurden mehr als 1800 Asyl-Erstanträge von Nigerianern in Deutschland gestellt. Die Anerkennungsquote ist aber vergleichsweise gering. Knapp 14 000 gelten als ausreisepflichtig. Die Rückführung in ihr Heimatland gestaltet sich aber schwierig, weil die meisten von ihnen keine Papiere haben. Dieses Jahr wurden bis Ende September 262 Nigerianer abgeschoben. Nigeria ist damit eines der Länder, mit denen Scholz die Rückführung von ausreisepflichtigen Migranten beschleunigen will. Derzeit verhandelt die EU-Kommission mit Nigeria über ein Rückführungsabkommen. Anschließend wäre auch ein bilaterales Abkommen zwischen Deutschland und Nigeria möglich.  (mit dpa)

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