Ein Schatten über dem neuen Landtag

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

München – Der Morgen beginnt in der Verwaltung des Landtags mit großer Erleichterung. Gegen 9 Uhr trifft die Nachricht ein, dass eine Stunde zuvor der mit Haftbefehl gesuchte neue AfD-Abgeordnete Daniel Halemba gefasst worden ist. In Kirchheim unter Teck, südlich von Stuttgart. Die Fahnder sind ihm offenbar unter anderem mittels Handyortung auf die Spur gekommen. Das erspart dem Hohen Haus eine Menge Ärger: Keine Fahnder an den Eingängen. Keine Bilder einer Festnahme. Die, so ist später zu hören, hätte es ohnehin nicht gegeben. Ilse Aigner als Hausherrin hätte einem Zugriff vor laufenden Kameras nicht zugestimmt. Aber Halemba wäre auf dem Podium gesessen – als jüngster Abgeordneter des Landtags.

Der erste Tag der neuen Legislaturperiode. Eigentlich ist es ein ganz besonderer. 78 neue Abgeordnete, alle haben sich herausgeputzt. Erste Erinnerungsfotos am Rednerpult. Und doch ist diesmal vieles anders. Halemba mag es nicht nach München geschafft haben. Sein Fall aber schwebt über dieser ersten Sitzung. Als die Namen aller Abgeordneten verlesen werden, folgt bei ihm der Zusatz „entschuldigt“. Gelächter. Auch wenn der Vorgang nicht lustig ist.

Im Vorfeld hatten die Juristen intensiv diskutiert: Fällt sein bereits laufendes Verfahren unter die Immunität, die für alle Abgeordneten mit Beginn dieser Sitzung in Kraft tritt? Die Meinungen sind – wie so oft bei Juristen – geteilt. Aber zur Sicherheit ruft Aigner zu Abstimmung und Aussprache auf. Normalerweise eine Sache des Verfassungsausschusses. Den gibt es aber noch nicht. Deshalb muss das Plenum ran, die ganz große Bühne also.

Schon in ihrer Rede nach der Wiederwahl zur Landtagspräsidentin wird Ilse Aigner in der Sache deutlich wie selten: Weder das Parlament noch sie als Landtagspräsidentin könnten Einfluss nehmen auf Entscheidungen der Justiz, belehrt sie die AfD. Deren Reaktion im Vorfeld habe sie empört. Es handle sich um einen „gezielten Angriff“ auf die Institutionen der Demokratie, sagt Aigner. „Erst waren es die Medien, dann der Verfassungsschutz, und jetzt ist es die Justiz. Was kommt als nächstes?“, fragt die Präsidentin. Die Partei verbreite „Verschwörungsmythen“, die das Ziel hätten, „das Vertrauen in die demokratischen Institutionen zu zerstören“.

Kurioserweise verlangt es die Gepflogenheit, dass der Name des betroffenen Abgeordneten bei der Immunitätsfrage nicht genannt wird. Doch natürlich wissen alle, wer gemeint ist. Etwas überraschend wird auf eine Aussprache allgemein verzichtet. Alle Fraktionen stimmen für die Aufhebung der Immunität, die AfD enthält sich. Nach der großen Aufregung im Vorfeld hätte man fast mit heftigeren Wortgefechten gerechnet. So geht es insgesamt recht zivilisiert zu.

Nun darf die Staatsanwaltschaft auch offiziell weiter ermitteln. Doch worum geht es eigentlich? Schon länger wird gegen Halemba – geboren in Polen, aufgewachsen in Baden-Württemberg – und vier weitere Mitglieder seiner Würzburger Burschenschaft wegen Volksverhetzung und der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole ermittelt. Im September gab es eine Hausdurchsuchung in Würzburg. Dass dies allein für einen Haftbefehl reicht, sorgt selbst bei Juristen für Stirnrunzeln. Von den Ermittlern heißt es lediglich, die Vorwürfe hätten sich erhärtet.

Die AfD jedenfalls zieht jenseits des Plenarsaals alle Register. Juristisch. Aber auch in den Sozialen Netzwerken. Für den Fall seiner Festnahme hat Halemba ein Video aufgenommen, das fleißig geteilt wird. „Das ist ein weiterer trauriger Höhepunkt der Jagd der CSU auf die demokratische Opposition“, verkündet der 22-Jährige darin bedeutungsschwanger. Sein Anwalt schaltet den Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein. „Mit einem herbeikonstruierten Haftgrund wird erheblich und unter fadenscheinigen Gründen in die Rechte der Opposition eingegriffen“, verkündet AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner vor der Landtagssitzung. In den Sozialen Netzwerken läuft schon die Kampagne. Hashtag: #freehalemba.

Abgeordneter bleibt Halemba jedenfalls bis zu einer möglichen Verurteilung. In U-Haft ging es jedoch nicht. Am Montagabend setzt das Amtsgericht Würzburg den Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug. Halemba muss sich einmal wöchentlich an seinem Wohnsitz Würzburg bei der Polizei melden. Der Kontakt zu Mitgliedern der Burschenschaft ist ihm untersagt. Das Thema wird den Landtag noch eine Weile umtreiben.

Artikel 2 von 11