„Häuser und Menschen verschluckt“

von Redaktion

VON SARA LEMEL UND EMAD DRIMLY

Gaza/Tel Aviv – Die Bilder von Tod und Zerstörung in dem palästinensischen Flüchtlingslager Dschabalia im nördlichen Gazastreifen sind erschütternd. Ein tiefer Krater klafft in der Erde, wo vorher noch Gebäude standen. Verzweifelte Menschen suchen in Trümmern nach Überlebenden. Kinder werden geborgen. Nach Darstellung der israelischen Armee galt der Luftangriff einem Drahtzieher des Massakers an israelischen Zivilisten am 7. Oktober – Hamas-Kommandanten Ibrahim Biari. 50 Terroristen seien bei dem Einsatz getötet worden.

Mohammed al-Aschkar aus Dschabalia erzählt, er habe eine schwere Explosion gehört. Dann habe eine schwarze Wolke die Umgebung verdunkelt. Al-Aschkar, der mit 56 Angehörigen in dem Gebäude wohnt, rief nach seiner Familie. Einige von ihnen seien verletzt, aber niemand getötet worden. Unter seinen Nachbarn gebe es jedoch Tote. „Als ich aus meinem Wohnhaus kam, das schwer beschädigt wurde, sah ich ein riesiges Loch in der Erde. Es hatte Häuser und Menschen verschluckt.“

Der militärische Arm der im Gazastreifen herrschenden Hamas, die Kassam-Brigaden, behauptete, bei dem Luftangriff seien auch sieben Geiseln getötet worden, darunter drei Ausländer. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Dschabalia ist nach UN-Angaben das größte Flüchtlingslager im Gazastreifen. Dort leben Menschen, die in Kriegen mit Israel seit 1948 fliehen mussten. Dschabalia ist ein sehr dicht besiedeltes Wohngebiet, aber nicht wie andere Flüchtlingslager durch einen Zaun von der Umgebung abgetrennt.

Israels Militärsprecher Daniel Hagari beschrieb die Hintergründe des Luftangriffs während eines Bodeneinsatzes im Gazastreifen. „Aus einem mehrstöckigen Gebäude im Bereich Dschabalia haben Terroristen unsere Truppen beschossen“, sagte er. Wie viele andere Gebäude hätten Terroristen der im Gazastreifen herrschenden Hamas dieses nahe einer Schule, eines medizinischen Zentrums und Behörden als Zufluchtsort genutzt. Der Angriff habe zum Einsturz des Gebäudes und des darunter liegenden Tunnelsystems geführt, sagte Hagari. Andere Gebäude seien dann ebenfalls zusammengebrochen. Dies zeige einmal mehr „den zynischen Missbrauch von Zivilisten als menschliche Schutzschilde“ durch die Hamas. Es sei von Hamas-Chef Jihia al-Sinwar beabsichtigt, „das Bild eines zerstörten Gazas zu zeigen“ und Israel verantwortlich zu machen für das Leid.

Erstmals hat eine Gruppe ausländischer Staatsangehöriger und Palästinenser mit Zweitpass den Gazastreifen Richtung Ägypten verlassen können. Auch die ersten Deutschen haben den Streifen verlassen. „Nach intensiven Bemühungen konnte ein Team unserer Botschaft Kairo soeben die ersten ausgereisten Deutschen am Grenzübergang in Rafah in Empfang nehmen“, teilte das Auswärtige Amt am Mittwochabend mit. Es handele sich dabei um eine „niedrige einstellige Zahl“ von Mitarbeiterinnen internationaler Hilfsorganisationen. Gleichzeitig arbeite man „mit Hochdruck weiter an der Ausreise der verbliebenen Deutschen in Gaza“. Auch die Bemühungen um die deutschen Geiseln gingen intensiv weiter.

US-Präsident Joe Biden vermeldete auch eine Ausreise amerikanischer Bürger. Auch palästinensische Verletzte wurden erstmals seit Beginn des Kriegs über die Grenze nach Ägypten zur Behandlung in Kliniken gebracht.

Papst Franziskus rief Israel und Palästinenser zu einer Lösung am Verhandlungstisch auf. „Jeder Krieg ist eine Niederlage. Mit Krieg wird nichts gelöst. Nichts. Alles wird mit Frieden, mit Dialog gewonnen“, sagte er Mittwochabend in einem Rai-Interview. Er forderte eine Zwei-Staaten-Lösung mit besonderem Status für Jerusalem- Jeden Tag telefoniere der er mit der katholischen Pfarrei in Gaza, so der 86-Jährige. Dort hätten laut Franziskus derzeit 563 Menschen Zuflucht gesucht, Christen wie Muslime.

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