München – Es gibt also doch noch Momente, in denen ein Markus Söder aufgeregt ist. Man merkt es nur an Details, dabei ist da eigentlich schon alles überstanden. Als er das Amt annehmen soll, drückt er den falschen Knopf am Pult, das Mikrofon bleibt stumm. „Ja“, ist trotzdem zu vernehmen, dazu etwas mit „Freude“. Und als Söder den Amtseid nachsprechen soll, hebt er die Hand nicht zum Schwur, erst ganz am Schluss, und dann die linke.
Wenn das die größte Panne nach einer Ministerpräsidentenwahl ist – dann ist es gut gelaufen. Die weitaus wichtigeren Fragen von Stimmen und Schwüren sind für Söder am Dienstag gut ausgegangen. Mit 120 Stimmen, exakt so vielen, wie Abgeordnete seiner CSU/FW-Koalition präsent waren, ist der 56-Jährige wieder zum Regierungschef gekürt worden. Im ersten Wahlgang – ohne Rückspiele gefrusteter Koalitionäre.
Theoretisch ist denkbar, dass es Ja-Stimmen aus anderen Fraktionen und Nein-Stimmen aus dem eigenen Lager gab – man sieht bei den Freien Wählern die geschassten Kabinettsmitglieder Michael Piazolo und Roland Weigert nur widerwillig und kurz klatschen. Ihre Stimme geben sie draußen ab, während CSU-Ministerinnen wie Michaela Kaniber ihr Ja-Kreuzchen so dick und groß im Plenarsaal setzen, dass es auch der kurzsichtigste Journalist auf der Pressetribüne verfolgen kann. Der Gesamteindruck ist aber: Diese Koalition wankt nicht.
Söder überlässt bei solchen Terminen möglichst wenig dem Zufall. Seine eigene Fraktion ist mehrfach eingeschworen. Frischen Frust vermeidet er, indem er die Benennung der CSU-Regierungsmitglieder in die nächste Woche schiebt. Beim Partner FW schaute er am Vortag in der Sitzung vorbei, wurde höflich empfangen. Und in die Wahl bringt er als demonstrative Unterstützer neben seiner Frau Karin und Tochter Selina auch den Vorvorgänger Edmund Stoiber mit auf die Ehrentribüne.
Dass es keine harmonische, samtweiche Sitzung wird, hat andere Gründe: Wieder zeigt sich der Graben zwischen der AfD und den anderen Parteien im Parlament. Tiefer und krasser als sonst. AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner nutzt die Aussprache über die Wahl, um einen Rundumschlag gegen die Politiker zu verlesen. Sie wettert über die Impfung, über das „Schlaraffenland“ für „Messermörder und Gruppenvergewaltiger“, über Klimaschützer. Sie spottet über den demokratischen Diskurs und die Rufe zur Mäßigung: „Hassrede ist die Rede, die Sie hassen“, ruft sie Söder zu. Ihre Fraktion, darunter der am Vorabend erst aus dem Polizeigewahrsam entlassene Daniel Halemba, johlt. Lauter, geschlossener, größer als bisher noch.
Die AfD darf als derzeit größte Oppositionsfraktion die erste Gegenrede im Landtag antreten. Das schafft besondere Aufmerksamkeit, eine große Bühne. Nach Lage der Dinge sind es die Freien Wähler, die darauf zu antworten haben. Ihrem Fraktionschef Florian Streibl gelingt es diesmal mit einem einzigen Satz: „Wenn es eine Schande für Bayern gibt“, sagt er, „dann hat sie soeben gesprochen.“ Zornesröte bei der AfD, donnernder Beifall bei allen anderen Fraktionen.
Grüne und SPD grenzen sich klar ab, auch Söder in seiner Antrittsrede. „Antidemokraten sollten sich vor uns hüten“, droht er. „Wir sind nicht nur mehr, sondern wir sind überzeugt darin, dass wir dieses Land und unsere Verfassung schützen wollen.“ Er spottet indirekt über die AfD als „älteste“ aller Parteien, die hundert Jahre alte Parolen dresche. Dass es mehr braucht als Rederituale in einem Parlament, macht indes CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek deutlich – mit seltener Selbstkritik. Die Politik auch in Bayern müsse schneller werden beim Problemelösen, sagt er. Und sie müsse Bürokratie wirklich abbauen, das Land entfesseln.
Diese erste Sitzung zeigt auch, wie sich die Gewichte in der Opposition verschoben haben. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn rügt „Populismus und Politik-PR“ in der Koalition, kritisiert konkret Defizite bei der Energiepolitik. Der Beifall seiner Fraktion, der kleinsten, trägt ihn aber noch nicht mal bis zum Platz zurück. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze startet bewusst moderat in dieser Amtszeit. Sie wünscht Söder „Kraft und gute Nerven“, positioniert die Grünen als „Regierungsfraktion im Wartestand“ – und gibt als Leitmotiv aus: „Verändern, um zu bewahren“, das sei die Losung für Bayern.