Beirut/Tel Aviv – Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat vor einer militärischen Eskalation an der israelisch-libanesischen Grenze gewarnt. Der Generalsekretär der Schiitenorganisation im Libanon äußerte sich am Freitag erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober, als Hamas-Terroristen Massaker in Israel angerichtet hatten. Nasrallah lobte den Angriff als „weise und mutig“.
Der Hisbollah-Chef, der den USA die „alleinige Verantwortung“ für den Krieg zuwies, betonte in seiner Ansprache, alle Optionen seien auf dem Tisch. Eine Eskalation hänge vom Verlauf des Kriegs im Gazastreifen sowie von Israels Verhalten gegenüber dem Libanon ab. Die Soldaten der USA – der wichtigste Verbündete Israels – würden im Fall eines regionalen Kriegs Opfer und größte Verlierer sein. Die eng mit dem Iran verbündete Hisbollah gilt als einflussreiche politische Kraft im Libanon und als militärisch deutlich stärker als die Hamas.
An der Grenze zwischen Israel und dem Libanon kam es zuletzt immer wieder zu Gefechten zwischen israelischen Streitkräften und Hisbollah-Kämpfern. Die Hisbollah meldete seit Beginn der jüngsten Konfrontationen mindestens 55 Tote in den eigenen Reihen. Auf israelischer Seite wurden nach Militärangaben seit Kriegsbeginn sieben Menschen getötet, darunter sechs Soldaten sowie ein Zivilist.
Die USA warnten die Hisbollah und deren Verbündeten Iran davor, eine neue Front zu eröffnen. An Israel gerichtet mahnte US-Außenminister Antony Blinken bei einem Besuch in Tel Aviv: „Wir müssen mehr tun, um die palästinensische Zivilbevölkerung zu schützen.“ Er habe bei einem Treffen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu deutlich gemacht, dass es darauf ankomme, wie das Land den Krieg gegen die im Gazastreifen herrschende Hamas führe. Es sei wichtig, „richtig und rechtmäßig“ vorzugehen – alles andere würde der Hamas und anderen Terrorgruppen in die Hände spielen.
Blinken sagte, er habe bei seinen Treffen mit Regierungsvertretern ausführlich über mögliche humanitäre Feuerpausen diskutiert. Diese sollen dazu dienen, die Menschen im Gazastreifen mit Hilfe zu versorgen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich in Sicherheit zu bringen. Netanjahu lehnte Feuerpausen ab, solange die islamistische Hamas nicht die festgehaltenen Geiseln freilasse.
„Wir werden nicht aufhören, bis wir den Sieg errungen und unsere definierten Ziele erreicht haben: die Beseitigung der Hamas, die Rückkehr unserer Geiseln und die Wiederherstellung der Sicherheit für unsere Kinder und Bürger“, sagte Netanjahu. Auch Treibstofflieferungen werde es nicht geben, um einen Missbrauch durch die Hamas zu verhindern.
Auch Außenministerin Annalena Baerbock warnte die Hisbollah vor einem groß angelegten Angriff auf Israel. Die Menschen im Libanon wollten nur in Frieden leben und keine weitere Eskalation in der Region, sagte die Grünen-Politikerin in der armenischen Hauptstadt Eriwan.
Mit Blick auf die humanitäre Lage im Gazastreifen verlangte Baerbock eine Umsetzung der auch von der EU geforderten Pausen zur Versorgung der Zivilbevölkerung. „Humanitäre Hilfe ist ein Gebot der Menschlichkeit. Es muss dafür humanitäre Pausen und humanitäre Korridore geben“, sagte sie.
Mehr als 30 Deutsche haben den Gazastreifen am Freitag verlassen können. Darunter seien auch Familien mit Kindern, teilte das Auswärtige Amt mit. Das Team der deutschen Botschaft in Kairo kümmere sich nun um sie, hieß es weiter. Zugleich konnten auch 34 Franzosen den Gazastreifen verlassen, teilte das Außenministerium in Paris mis. In der Krisenregion im Nahen Osten befinden sich noch tausende deutsche Staatsbürger. Laut dem Auswärtigen Amt waren vergangene Woche etwa 2700 Deutsche in Israel. Im Gazastreifen ging das Ministerium von einer „niedrigen dreistelligen“ Personenzahl aus.