Kanzler und Konservative beschnuppern sich

von Redaktion

Scholz, Merz und Dobrindt sollen den großen Asylgipfel vorbereiten – „So geht es nicht weiter“

Berlin – Es ist eine Harmonie, die den anderen in der Ampel weh tun kann. Ein friedliches, freundliches, offenkundig produktives Treffen hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Spitzen der Union im Bundestag absolviert. Er empfing Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU), am Freitagmittag im Kanzleramt. Aus Merz’ Umfeld hieß es, das Gespräch sei sehr gut und die Atmosphäre „sachlich und konstruktiv“ gewesen.

Bei dem intensiven Austausch sei es um eine breite Palette von Migrationsthemen gegangen, das Gespräch sei nicht abschließend, verlautete aus der Union. Merz und Dobrindt äußern sich nicht direkt. Über Details ist Vertraulichkeit vereinbart.

Klar ist: Die Runde soll zunächst den großen Asylgipfel am Montagnachmittag vorbereiten. Scholz trifft die Ministerpräsidenten, um über eine stärkere Steuerung der Migration und die Finanzierung der Aufnahme von Flüchtlingen zu reden. Je konstruktiver Unions- und SPD-Politiker da aufeinandertreffen, desto besser für die Sache. „Wir müssen etwas tun für den Zusammenhalt in der Gesellschaft“, sagte Niedersachsens SPD-Regierungschef Stephan Weil, erkennbar besorgt. „So geht es nicht weiter“, sagt der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Die Länder rechnen vor, dass Asyl und Migration über 23 Milliarden Euro verschlingen.

Vorschläge liegen stapelweise auf dem Tisch: Geld für die Flüchtlinge kürzen, auf Karten umstellen, Grenzen strenger kontrollieren, Asylverfahren beschleunigen, Eil-Ablehnungen für chancenlose Asylanträge etablieren, Familiennachzüge reduzieren; die CSU verlangt zudem einen Stopp der Einbürgerungsreform der Ampel. Hier hat sie Unterstützung in der FDP gefunden. Parteivize Wolfgang Kubicki warnt mit Blick auf importierten Islamismus und Antisemitismus: „Mit automatischen Einbürgerung bei Geburt in Deutschland wird dieses Problem nicht kleiner, sondern mutmaßlich nicht mehr zu bewältigen sein.“

Die Parteigrenzen sind an vielen Stellen aufgebrochen. Auch aus der SPD wird nun der Ruf nach Asylverfahren außerhalb Europas laut. Drei Bundestagsabgeordnete der SPD, alle nicht im konservativen Flügel, sprechen sich dafür aus. In einem gemeinsamen Papier schlagen die Sozialdemokraten Lars Castellucci, Frank Schwabe und Fabian Funke die Einrichtung von „Migrations-Zentren“ in sicheren Drittstaaten „als Anker- und Anlaufpunkt für Schutzsuchende“ vor. Erst nach Bearbeitung ihrer Anträge sollen dem Vorschlag zufolge asylberechtigte Migranten in EU-Staaten einreisen dürfen. Eine „sozialdemokratische Ideallösung“ sehe anders aus, räumten Castellucci, Schwabe und Funke ein. Sie liegen damit auf einer Linie mit mehreren CDU-Ministerpräsidenten, darunter Hendrik Wüst aus NRW und Boris Rhein aus Hessen.

Die Grünen geraten in der Debatte erkennbar unter Druck – nähern sich SPD und Union so weit an, dass es am Ende keine Ampel mehr braucht? Auch dort ist nun Bewegung erkennbar. Die Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne) rät zu einer politischen Verständigung mit CDU und CSU. „Wir sind an einem Punkt, wo wir in dieser Frage einen demokratischen Konsens brauchen und uns gegenseitig die Hand reichen müssen“, sagte sie der „Welt“.

Auffällig: Der Realo Winfried Kretschmann, Regent in Baden-Württemberg, und die eher linke Parteichefin Ricarda Lang haben sich auf einen gemeinsamen Gastbeitrag im „Tagesspiegel“ geeinigt. Kernsatz daraus: „Wenn die Kapazitäten wie jetzt an ihre Grenzen stoßen, müssen auch die Zahlen sinken.“  cd/dpa

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