Wahlen in der Ukraine

Gerade liegen die Prioritäten anders

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

Manchmal fallen die Dinge auf seltsame Weise zusammen. Gerade hat EU-Kommissionschefin von der Leyen der Ukraine bescheinigt, fast EU-tauglich zu sein, da bringt Wolodymyr Selenskyj die Verschiebung der Präsidentschaftswahlen ins Spiel. Das wirkt schräg, weil freie Wahlen nun mal die Basis all dessen sind, was sich Demokratie nennt. Trotzdem gibt es gute Gründe dafür.

Zum einen stellt sich die Frage, wie legitim Wahlen wären, an denen große Teile der Bevölkerung nicht teilnehmen können. Dabei geht es nicht nur um Soldaten und Geflüchtete (für die es zur Not digitale Lösungen gäbe), sondern um jene Ukrainer, die in den russisch besetzten Gebieten leben. Soll man sie ausschließen? Hinzu kommt, dass die Organisation aufwendig und teuer ist. Sollte man die zig Millionen nicht besser in Verteidigung stecken? Und wie sieht es mit Störversuchen aus: Wartet der Kreml nicht geradezu darauf, Unsicherheit zu schüren? Oder Wahllokale zu bombardieren? Den Vorwurf, an der Macht zu klammern, kann man Selenskyj kaum machen. Seine Zustimmungswerte sind hoch – er hätte beste Chancen zu gewinnen. Die Zusage, dass er nach dem Krieg abtritt, steht ohnehin.

Natürlich kann das nicht zum Dauerzustand werden. Sobald die Voraussetzungen günstiger sind, ist das Ansetzen von Wahlen Pflicht. Aber dass die Ukraine, die noch immer um ihre Existenz kämpft, gerade andere Prioritäten hat, ist für den Moment mehr als verständlich.

Marcus.Maeckler@ovb.net

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