Würzburg – Alexander Gunkel steigt mit einer erfreulichen Nachricht ein. Trotz der wirtschaftlichen Abschwächung sei die Finanzlage in diesem Jahr weiterhin stabil, sagt der Arbeitgeber-Vertreter im Vorstand der Rentenversicherung. Mit Einnahmen von 375,8 Milliarden Euro und Ausgaben von 374,7 Milliarden Euro wächst sogar die Reserve auf 44,5 Milliarden Euro an: „Das liegt vor allem daran, dass die Einnahmen aus beitragspflichtiger Beschäftigung erneut deutlich gestiegen sind“, sagt Gunkel. Mittlerweile sei die konjunkturelle Schwäche zwar auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen – allerdings in eher begrenztem Umfang. Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr mit einem moderaten Anstieg der Zahl der Arbeitslosen von 2,4 auf 2,6 Millionen. Gleichzeitig sollen die Bruttolöhne kräftig zulegen – 5,6 Prozent werden in diesem Jahr erwartet, 5,1 Prozent im kommenden Jahr.
Gut für die Rente, die bekanntlich den Löhnen folgt. Eine Erhöhung von rund dreieinhalb Prozent erwartet auch die Rentenversicherung im kommenden Jahr – und bestätigt damit die Prognose der Bundesregierung. Dass der Anstieg nicht noch stärker an der Lohnentwicklung liegt, hänge vor allem mit einem Korrektureffekt infolge der Ende 2022 wieder zurückgegangenen Kurzarbeit zusammen, heißt es von der Rentenversicherung, der sich dämpfend auf die Anpassung auswirke. Gunkel betont allerdings, wie unsicher die Prognosen zu diesem frühen Zeitpunkt noch sein können. Auch im vergangenen Sommer gab es für die Rentner am Ende fast ein Prozent mehr obendrauf als noch Ende 2022 vorausberechnet.
Weniger zufrieden zeigte sich Gunkel auf der Einnahmenseite mit der Entwicklung der Bundeszuschüsse für die Rentenversicherung. Es sei „nicht akzeptabel“, dass der Bund „ganz ohne inhaltliche Gründe, sondern aus rein fiskalischen Gründen“ der Rentenversicherung erneut Mittel kürzen wolle. Schließlich hätten schon im Jahr 2020 „alle Bundeszuschüsse zusammen nicht ausgereicht, um damit die nichtbeitragsgedeckten Leistungen vollständig zu finanzieren“, sondern eine Finanzierungslücke von geschätzt 37 Milliarden Euro hinterlassen. Trotzdem zeige ein Entwurf des Haushaltsgesetzes 2024 nun, dass die Zuschüsse der Rentenversicherung ab dem nächsten Jahr bis 2027 um 600 Millionen Euro pro Jahr gekürzt werden sollen. Erst im vergangenen Jahr habe die Bundesregierung vier Sonderzahlungen an die Rentenversicherung in Höhe von jeweils 500 Millionen Euro für die Jahre 2022 bis 2025 nachträglich abgeschafft. Berlin schade so „massiv dem Vertrauen in die Rentenversicherung“, sagt Gunkel.
Mit Blick auf die demografische Entwicklung dürften die Zeiten ohnehin absehbar schwieriger werden. Das hat Folgen, wie Vorausberechnungen zeigen: Nach geltendem Recht würde das Rentenniveau – also das Verhältnis einer Rente nach 45 Berufsjahren mit Durchschnittseinkommen zum aktuellen Durchschnittseinkommen – von im kommenden Jahr voraussichtlich 48,1 Prozent bis 2030 auf 46,9 Prozent und bis 2035 weiter auf 45,4 Prozent sinken, sagt Gunkel. Der Beitragssatz würde der Modellrechnung zufolge bis zum Jahr 2027 konstant bei 18,6 Prozent bleiben. Da im Jahr 2028 die Nachhaltigkeitsrücklage ohne Beitragssatzanhebung die Untergrenze unterschreiten würde, müsste er dann angehoben werden auf 18,7 Prozent. Danach würde er weiter auf 20,2 Prozent bis zum Jahr 2030 und auf 21,1 Prozent bis zum Jahr 2035 steigen.
Die Ampel plant allerdings, in ihrem noch ausstehenden Rentenpaket II die geltende Haltelinie beim Rentenniveau von 48 Prozent – die sonst wohl 2025 erreicht würde – dauerhaft festzuschreiben. Um auch die Beiträge zu stabilisieren, soll zudem ein Kapitalstock aufgebaut werden – das sogenannte Generationenkapital. Die Regierung will dafür zunächst 10 Milliarden Euro aus öffentlichen Darlehen auf dem Kapitalmarkt anlegen.
Gunkel warnt allerdings vor zu hohen Erwartungen. in der derzeit geplanten Ausgestaltung sei vom Generationenkapital eine „Entlastungswirkung kaum zu erwarten“. Auch Anja Piel, die für die Arbeitnehmerseite im Bundesvorstand der Rentenversicherung sitzt, zeigt sich skeptisch. Kreditmittel des Bundes aufzunehmen, die am Aktienmarkt angelegt werden, sei „eine ungewisse Wette auf die Zukunft“.