Berlin – Leuchtreklamen flimmern in grellem Rot vor den Läden. Herzchen-Symbole und verschnörkelte „Girls“-Schriftzüge lassen schnell erahnen, was es hinter verschlossenen Türen zu kaufen gibt: Sex mit Frauen.
Mit dem Prostitutionsgesetz der damals rot-grünen Koalition ist Prostitution in Deutschland seit 2002 nicht mehr sittenwidrig – genau genommen legal. Damit sollte die soziale und rechtliche Lage von Prostituierten geschützt werden. Seither gehören Rotlichtviertel mit ihren Straßenstrichs und Bordellen zum Straßenbild vieler deutscher Städte dazu. Das will die Union jetzt ändern.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag will Sexkauf komplett verbieten. Das heißt: Derjenige, der die Leistungen einer Prostituierten in Anspruch nimmt, sprich der Freier, soll bestraft werden. Die Prostituierte selbst bleibt dagegen straffrei. Ziel sei es, „menschenunwürdige Zustände in der Prostitution“ zu beenden, wie es in einem Positionspapier der Union heißt, das unserer Zeitung vorliegt. Für die Union ist das einstige Ziel der Liberalisierung, nämlich der Schutz von Frauen, verfehlt worden. Seit 2002 habe sich die Situation für Frauen „drastisch verschlechtert“, heißt es. „Anstelle der Prostituierten haben vor allem Zuhälter und Betreiber von Bordellen, FKK-Clubs und Laufhäusern enorm profitiert.“
Unionsfraktionsvize Dorothee Bär hat sich des Themas schon im bayerischen Wahlkampf angenommen. Im September forderte sie ein Sexkaufverbot. „Deutschland hat sich zum Bordell Europas entwickelt“, beklagte sie. Diese Woche bekam die CSU-Politikerin dann Rückendeckung von ihrer Fraktion, die das Papier beschloss. Als Lösung präsentiert man das „Nordische Drei-Säulen-Modell“. Dies sieht vor: Präventions- und Ausstiegsangebote zu fördern, Opferschutz und Bestrafung von Sexkauf zu etablieren und dieses Verbot vor Ort durchzusetzen.
Dieses Modell existiert – wie der Name schon sagt – vor allem in den nordischen Ländern Europas. Norwegen, Island, Irland, Schweden. Als erstes Land führte Schweden 1999 ein Sexkaufverbot ein, drei Jahre später legalisierte Deutschland die Prostitution.
Während 26 Prozent aller deutschen Männer mindestens einmal in ihrem Leben sexuelle Handlungen kauften, sind es in Schweden sieben Prozent. Das ergab eine deutsch-schwedische Umfrage der Institute Novus und Norstat. Ende 2022 waren laut Behörden 28 280 Prostituierte (4500 in Bayern) gemeldet. Der Verband deutscher Laufhäuser schätzt die Zahl auf 60 000. Die Organisation Doña Carmen, die sich für Prostituierte einsetzt, geht von 90 000 aus. Die Dunkelziffer dürfte enorm sein.
2017 lenkte die Große Koalition aus Union und SPD mit einem Schutzgesetz für Prostituierte noch einmal ein. Die Rufe nach einem Sexkaufverbot bleiben aber – auch in der SPD. „Als bayerische SPD-Frau freue ich mich über den Vorstoß der CDU/CSU in Sachen Nordisches Modell und teile die Inhalte“, sagt Maria Noichl, Bundesvorsitzende der SPD-Frauen unserer Zeitung. Allerdings sei die Haltung der SPD-Frauen uneindeutig. Während laut Noichl Bayern und Baden-Württemberg das Nordische Modell unterstützen, würden Schleswig-Holstein oder Berlin das derzeitige liberale Modell befürworten.
Die Grünen dagegen lehnen ein Sexkaufverbot ab. Die Union mache es sich mit ihrer Forderung zu einfach, sagt die frauenpolitische Sprecherin Ulle Schauws unserer Zeitung. „Ein Verbot würde die Situation von Prostituierten nicht verbessern. Im Gegenteil werden Sexarbeitende damit in die Illegalität gedrängt, die Gewalt steigt und der Zugang zu Hilfsangeboten wird maßgeblich erschwert“, sagt die Grünen-Politikerin. Dies würde man in Schweden und Irland sehen.
Vielmehr würden die Grünen auf mehr Schutz, Hilfsangebote und Beratungen setzen, erklärt Schauws. Auch die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus erteilt dem Unions-Vorschlag eine Absage. Es gebe aktuell keinen Grund, das Gesetz zu ändern, denn noch bis 2025 werde es evaluiert. Spätestens dann wird die Debatte wohl wieder hochkochen.