Das Ruanda-Modell klappt nicht

von Redaktion

Wo bleiben die so oft versprochenen Migrations-Abkommen des Bundes mit den Herkunftsländern von Flüchtlingen? Verantwortlich dafür ist Joachim Stamp. Er ist seit Februar Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung dafür. Mit dem Thema Migration ist der 53-jährige FDP-Politiker vertraut. Er war von 2017 bis 2022 Integrations- und Flüchtlings-Minister in NRW. Zuletzt war sehr wenig von ihm zu vernehmen. Wir haben nun mit ihm geredet.

Bayern und Sachsen fordern „eine Integrationsgrenze“. Wäre es nicht ehrlicher, eine solche Grenze festzulegen?

Wir müssen die Politik darauf ausrichten, dass wir den Zuzug nach Deutschland, der nicht in den Arbeitsmarkt erfolgt, massiv reduzieren. Markus Söder hat aber auch selbst gesagt, dass es keine juristische Grenze geben kann. Es ist aber klar, dass die Zahlen auch dauerhaft deutlich runter müssen.

Helfen sollen Migrationsabkommen. Es wurde berichtet, sie seien in Gesprächen mit Georgien, Moldau, Kenia, Kolumbien, Usbekistan und Kirgisistan. Bestätigen Sie das?

Es gibt diese und weitere Länder. Gerade waren wir in Marokko. Ich kann aber aus Gründen der Vertraulichkeit nicht über alle Länder berichten, mit denen wir über Migrationspartnerschaften sprechen.

Aber über Georgien und Moldau zum Beispiel.

Ja, ich habe die neue Aufgabe bewusst mit Gesprächen in Georgien und Moldau begonnen. Beide Länder zusammen machen mehr als elf Prozent der abgelehnten Asylanträge in Deutschland aus. Auch Kolumbien ist relevant. Von dort ist die Zahl der Asylanträge sprunghaft gestiegen, stärker als aus den Maghreb-Staaten. Ein weiterer Gesprächspartner ist Kenia, das selbst sehr, sehr viele Flüchtlinge aufnimmt. Hier geht es darum, mit einer Migrationspartnerschaft dieses Land zu unterstützen. Ziel ist, dass weniger Menschen aus der Region bei uns Asyl suchen, aber geeignete junge Leute in den Arbeitsmarkt kommen.

Reicht das aus?

Bilaterale Migrationsabkommen werden überwiegend mittel- und langfristig wirken. Zudem läuft auch das Rückführungsmanagement der zuständigen Behörden in Bund und Ländern mit allen relevanten Herkunftsländern weiter. Zur Wahrheit gehört aber, dass wir zugangsstarke Länder haben, mit denen wir keine Partnerschaft machen können. Das gilt in erster Linie für Syrien und Afghanistan. Deswegen ist es wichtig, dass wir zu einer besseren Verteilung der Flüchtlinge in Europa kommen. Wir brauchen zudem eine Erneuerung des EU-Türkei-Abkommens. Zudem wird geprüft, ob Asylverfahren in Drittstaaten möglich sind.

Wollen Sie ein Ruanda-Modell für Deutschland?

Die Briten verfolgen damit den Ansatz, alle, die irregulär eingereist sind, nach Ruanda zu bringen. Das wird, so glaube ich, in dieser Form mit dem europäischen Recht nicht vereinbar sein. Denkbar ist aber, dass wir durch das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen Asylverfahren in Drittstaaten durchführen, die anerkannten Flüchtlinge in Europa verteilen und die abgelehnten Asylbewerber ins Heimatland zurückbringen. Noch gibt es aber kein Land, das als Drittstaat zur Verfügung steht.

Wann werden die Migrationszahlen dank der jetzt getroffenen Beschlüsse signifikant sinken?

Es ist schwer, irgendwelche Prognosen zu stellen. Wir wissen nicht, was an zusätzlichen Migrationsbewegungen durch neue Konflikte und Bürgerkriege oder Naturkatastrophen entstehen wird.

Werden die Zahlen denn sinken?

Vorausgesetzt die Weltlage verändert sich nicht noch weiter negativ, erwarte ich das. Wenn alle Maßnahmen umgesetzt werden, wird das zu einer Reduzierung irregulärer Migration beitragen.

Wann wird es das erste Stamp-Migrationsabkommen geben? Noch in diesem Jahr?

Das liegt auch an unseren Partnern. Migrationsvereinbarungen sind kein Haustürgeschäft und brauchen den Aufbau von Vertrauen. Man muss seriös bleiben und den Menschen nicht vorgaukeln, dass man mit dem Finger schnippen kann und sich dann die Dinge ändern.

Interview: Alexander Schäfer

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