München – Acht von 16 Gesundheitsministern in deutschen Bundesländern sind Parteifreunde von Karl Lauterbach. Doch sein SPD-Parteibuch schützt den Bundesminister nicht vor dem Zorn über seine Krankenhausreform-Pläne. In einem Brandbrief an Lauterbach, der unserer Zeitung vorliegt, machen die 16 Ressortchefs gemeinsam ihrem Frust Luft.
Die bisherigen Ergebnisse aus der Redaktionsgruppe für die Krankenhausreform seien „sehr enttäuschend“, schreibt Baden-Württembergs Minister Mane Lucha stellvertretend für die Runde. „Diese entsprechen nicht dem gemeinsam beschlossenen Eckpunktepapier vom 10. Juli 2023.“ Gleich sieben große Kritikpunkte werden in einem gesonderten Anhang ausformuliert. Weiter heißt es: „Diesen Zustand können wir nicht aufrechterhalten, da wir im Sinne der Versorgungssicherheit das Reformgesetz so schnell wie möglich auf den Weg bringen müssen.“
Dass sich die Probleme zeitnah ausräumen lassen, ist wohl eher nicht zu erwarten. Die Länder betonen vorsorglich, dass das nächste Treffen mit Lauterbach am 23. November „ausschließlich nur für eine zeit- und ergebnisoffene, politische Aussprache ohne anschließende Pressekonferenz genutzt werden kann“. Mit einer Einigung, die man verkünden könnte, rechnet also niemand.
Zum Hintergrund: Die von Lauterbach angestrebte Krankenhausreform ist vor allem deshalb hart umkämpft, weil sie dazu führen wird, dass einige Kliniken schließen müssen oder nur noch in stark abgespeckter Form fortbestehen. Besonders das Flächenland Bayern sorgt sich erstens um die künftige Versorgung im ländlichen Raum und will sich zweitens nicht von Berlin in seine Krankenhausplanung reinreden lassen. Nachdem sich die Länder im Juli dennoch (ohne bayerische Zustimmung) auf Eckpunkte geeinigt haben, übernahm eine von Lauterbachs Ministerium koordinierte Arbeitsgruppe mit (dem Vernehmen nach recht überschaubarer) Beteiligung von Baden-Württemberg, NRW, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern die Ausarbeitung eines Entwurfs.
Die ersten Ergebnisse werden nun von den Ländern regelrecht zerpflückt. Das Finanzierungssystem sei weiter völlig unklar, und statt einer bürokratischen Entlastung sei zusätzlicher Aufwand zu erwarten. In den Tiefen der Fachebene geht die Kritik noch deutlich weiter. Auch Bayerns neue Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) hat bereits „einen konstruktiven und zugleich kritischen Kurs“ gegenüber Lauterbach angekündigt. Dazu gehöre „die Forderung nach Korrekturen bei der geplanten Krankenhausreform“.
Doch so wichtig die Reform wird: Im Moment haben die Kliniken noch drängendere Sorgen. Von 2022 bis Jahresende werden sie allein im Freistaat ein Defizit von über 1,4 Milliarden Euro durch nicht ausgeglichene Inflationskosten verkraften müssen, hat die Bayerische Krankenhausgesellschaft ausgerechnet – befristete Hilfsgelder des Bundes schon berücksichtigt. Nach dem 30. April, wenn auch der Energie-Hilfsfonds für die Kliniken auslaufen soll, drohe deshalb ein unkoordiniertes Kliniksterben. Weil die Bundesregierung das offenbar in Kauf nehme, hofft man nun auf die Länder, die über den Bundesrat Druck aufbauen könnten. „Es braucht jetzt ein Notprogramm des Bundes“, betont am Montag Bayerns neue Gesundheitsministerin Gerlach. Lauterbach selbst hält ein großes Krankenhaussterben im kommenden Jahr hingegen für „ausgeschlossen“.
Ein alter Bekannter des Bundesministers sieht das anders. Die Fraktionsvorsitzenden der von CDU und CSU geführten Länder fordern eine finanzielle Untermauerung der Reform. Zu ihnen gehört neuerdings CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek – der bis Mitte Oktober noch als bayerischer Gesundheitsminister mit Lauterbach stritt. Er kritisiert, dass alles, was Berlin zur Verfügung stellen wolle, ohnehin eingeplante Mittel seien. „Ein Taschenspielertrick“, sagt Holetschek unserer Zeitung. „Das bringt vielleicht ein bisschen Liquidität, aber es ist kein frisches Geld.“ Die Gefahr, dass Kliniken pleitegehen, sei deshalb sehr real.