Stühlerücken in London

Sunaks Verzweiflungstat

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

David Cameron verließ Downing Street 10 mit einer fröhlichen Melodie auf den Lippen. Der damalige Premier hatte sich zwar gerade historisch verzockt und sein Land ins Brexit-Chaos gestürzt, aber die Laune ließ er sich nicht verderben. Jetzt, sieben Jahr später, folgt die sehr britische Pointe: Der Mann, der das Land so gelöst seinem Schicksal überließ, kehrt zurück in die erste Reihe – als Außenminister.

Das ist nicht nur extrem überraschend (kaum jemand hatte Cameron auf der Rechnung). Es bewegt sich zudem irgendwo zwischen Befreiungsschlag und Verzweiflungstat. Befreiung, weil Premier Rishi Sunak sich mit der größeren Rochade seiner gefährlich irrlichternden Innenministerin Suella Braverman entledigen wollte. Ihm blieb kaum eine Wahl. Verzweiflung, weil Cameron. Vorbelastet und jahrelang abgemeldet, soll er nun ein Land vom Gewicht Großbritanniens in einer globalen Großkrise nach außen vertreten. Nebenbei, heißt es, ist der gemäßigte Tory auch ein Ruhe-Signal in die aufgewühlte Partei hinein. Ob sie ausgerechnet auf ihn gewartet hat, darf man bezweifeln.

Sunak geht ein doppeltes Risiko ein. Einerseits wegen Cameron. Andererseits wegen der ehrgeizigen Braverman, der nachgesagt wird, sie habe ihren Rauswurf provoziert, um nach der absehbaren Wahlklatsche 2024 kein Verlierer-Stigma zu haben. Sie dürfte bald zum Angriff übergehen. Die erhoffte Ruhe dürfte nur kurz dauern.

Marcus.Maeckler@ovb.net

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