Zum Schluss seiner Karriere will sich Deutschlands provokantester Gewerkschafter offenbar noch ein Denkmal setzen. Bereits vor Tagen verkündete Claus Weselsky (64) in der ihm eigenen Tonalität, man habe für die Tarifauseinandersetzung „die Messer schon gewetzt“. Ständig drohte er mit Streiks zur Weihnachtszeit – so als wolle man nicht die Bahn als Arbeitgeber treffen, sondern vor allem den Kunden das Leben erschweren.
Nun haben die Gespräche kaum begonnen, da holt die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer gleich die Keule raus. Dabei kann sich das erste (!) Angebot der Bahn wahrlich sehen lassen: Elf Prozent mehr Lohn, eine Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro, das alles bei einer Laufzeit von 32 Monaten. Das sollte doch genug sein, um sich für Verhandlungen zumindest mal an einen Tisch zu setzen. Doch Weselsky besteht auf eine Senkung der Arbeitszeit – für mehr Geld natürlich. Würde die Bahn dem zustimmen, hätte sie dicke Löcher in den Dienstplänen. Für die Kunden hieße das: weniger Züge, noch mehr Verspätungen, noch schlechterer Service.
Völlig klar: Die Tarifautonomie und das Streikrecht sind hohe Güter, haben sich über viele Jahre bewährt. Und nur wer ordentliche Löhne zahlt, findet auch künftig genügend Fachkräfte. Doch die Vehemenz und die Regelmäßigkeit, mit der die Auseinandersetzungen bei der Bahn ausgetragen werden, schaden längst dem ganzen Unternehmen, dessen Bild ohnehin viele Kratzer hat. Irgendwann fahren die Kunden halt wieder mit dem Auto.
Mike.Schier@ovb.net