Die FDP in Bayern ist krachend aus dem Landtag geflogen. Beim Parteitag vergangenes Wochenende entlud sich der ganze Frust über die Ampel-Regierung – und hätte fast den Landesvorsitzenden Martin Hagen aus dem Amt gespült. Jetzt führt er in der Doppelspitze mit Katja Hessel. Ein Gespräch mit dem 42-Jährigen über die Zukunft der Bundesregierung.
Es waren turbulente Wochen für die Bayern-FDP. Wie ist die Stimmung?
Wir hatten am Parteitag eine heiße Debatte über den Zustand der FDP, aber auch der Bundesregierung. Wir sind uns einig: Die Gesamt-Performance muss besser werden.
Sehen Sie den Parteitag als Arbeitsauftrag der Basis, die Ampel grundsätzlich infrage zu stellen?
Ich sehe es als Arbeitsauftrag an die Ampel, eine bessere Politik zu machen. Die Menschen wollen einen Staat, der dort handlungsfähig ist, wo es darauf ankommt – zum Beispiel bei der Eindämmung irregulärer Migration –, und der sich dafür weniger in ihr Leben einmischt.
Das Verfassungsgericht hat Ihrem Finanzminister Christian Lindner diese Woche den Haushalt zerschossen. Eine Ohrfeige für den Minister.
Corona-Kredite in den Klimafonds zu verschieben, das hatte ja schon die alte GroKo praktiziert. Das Gericht hat jetzt die Schuldenbremse gestärkt – und damit auch die FDP. Die Folgen des Urteils sind gravierend. Das ist nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine die nächste Zeitenwende für unser Land.
Warum?
Weil die Grundlage der Regierungspolitik sich verändert. Es fehlen plötzlich 60 Milliarden Euro. Höhere Steuern oder ein Abschaffen der Schuldenbremse sind mit der FDP nicht zu machen. Also muss die Ampel ihre Politik neu ausrichten.
Umweltministerin Lemke sorgt sich schon sehr um ihre Klimaprojekte.
Die deutsche Klimapolitik der letzten 25 Jahre ist teuer und ineffizient. Weil sie nicht konsequent auf den europäischen Emissionshandel setzt, sondern auf Verbote und Subventionen: Man schaltet funktionierende Kraftwerke ab und dämpft die steigenden Strompreise durch staatliche Hilfen. Man will den Verbrenner verbieten und zahlt dafür Kaufprämien für E-Autos. Man regiert den Menschen in die Heizungskeller hinein und stellt sie dann durch üppige Förderungen ruhig. Dieser Ansatz hat ausgedient. Das Urteil zwingt uns zu einer besseren Politik.
Was heißt das jetzt für die Energiepolitik?
Schluss mit der künstlichen Verknappung des Stromangebots: Kernkraftwerke zurück ans Netz, Kohleausstieg verschieben und gleichzeitig Erneuerbare und Speicher ausbauen.
Im Klima- und Transformationsfonds sind auch Milliarden für die Förderung der Intel-Chipfabrik in Magdeburg vorgesehen.
Ich halte solche Subventionen für Unternehmensansiedlungen für falsch. Fraglich, ob das jetzt noch finanzierbar ist.
Das Urteil bedeutet also eine weitreichende Neujustierung der Ampel-Politik. Ist dafür die Kraft da?
Der Staat muss mit dem Geld, das er zur Verfügung hat, auskommen. Die Steuerzahler noch stärker zu belasten, verbietet sich, denn wir sind schon ein Hochsteuerland. Also muss künftig alles, was Geld kostet, auf den Prüfstand – das betrifft klimapolitische Vorhaben, aber auch einen ausufernden Sozialstaat. Ob Grüne und SPD dazu bereit sind, wird sich zeigen. Letztlich hängt der Fortbestand der Ampel davon ab.
Sie sprechen von Sozialleistungen. Was wird aus dem Bürgergeld?
Die Regelsätze sind zuletzt zu stark gestiegen – schneller als die Einkommen, das darf nicht sein. Auch die im internationalen Vergleich sehr großzügigen Leistungen für Asylbewerber müssen wir kritisch hinterfragen, damit setzt Deutschland falsche Anreize.
Die CSU bietet eine Große Koalition unter Führung der SPD an. Wäre das ein Ausweg für die FDP?
Da würde man den Bock zum Gärtner machen. Viele aktuelle Defizite gehen ja auf die GroKo zurück. Probleme mit Steuergeld zu überdecken, statt sie zu lösen – diese Unsitte, die wir dringend überwinden müssen, hat Angela Merkel quasi erfunden.
Interview: Mike Schier