München – Mangelnde Fairness, schlechter Stil, falsche Angaben. Seit dem Wochenende machen sich die Ampel-Parteien in Berlin gegenseitig Vorwürfe. Auslöser ist das geplante Ende der reduzierten Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte die Koalitionspartner dafür verantwortlich gemacht. Die setzen sich nun zur Wehr.
„Mir ist schleierhaft, warum sich der Finanzminister plötzlich von gemeinsamen Entscheidungen zum kommenden Haushalt distanziert“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am Montag dem „Stern“. „Eine faire Zusammenarbeit sieht anders aus.“ Der stellvertretende Frationschef der Grünen, Andreas Audretsch, hatte Lindner schon am Sonntag gekontert. Entscheidungen treffe man in der Ampel zusammen, sagte er. „Es ist kein guter Stil, wenn der Finanzminister nachher nichts mehr mit den Beschlüssen zu tun haben will.“
Krach wie dieser ist in der Ampel nichts Neues, allerdings kommt er diesmal zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Eigentlich ist die Regierung aufgefordert, Konsequenzen aus dem Karlsruher Haushaltsurteil zu ziehen. Die Richter hatten der Ampel letzte Woche untersagt, Corona-Kredite nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Industrie zu verwenden.
Nun klafft ein 60-Milliarden-Euro-Loch im Etat. Darüber, wie das zu stopfen ist, gibt es nun auch Dissens.
Die FDP will das Geld etwa durch Einsparungen auftreiben und denkt dabei unter anderem an Sozialleistungen. „Die Koalition ist aufgefordert, Lösungen zu finden, um die Staatsfinanzen weiter zu konsolidieren“, sagte Vize-Fraktionschef Christian Dürr der Funke-Mediengruppe. „Dabei müssen wir auch darüber reden, wo der Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten kann.“
Bei den Koalitionspartnern kommt der Vorschlag gar nicht gut an. Sönke Rix, Vize-Fraktionschef der SPD, warf Dürr vor, an der Ampel zu rütteln. Die FDP spiele „nicht nur mit dem Zusammenhalt in der Koalition, sondern gefährdet auch massiv den demokratischen Zusammenhalt in unserem Land“, sagte er. Auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge fürchtet um den sozialen Zusammenhalt. Kürzungen bei den Sozialleistungen kämen deshalb nicht infrage.
Grüne und SPD wollen dagegen lieber an die Schuldenbremse ran. Die Vorschläge reichen von einem erneuten Aussetzen (SPD-Chefin Saskia Esken) bis zu einer grundlegenden Reform. Von einem Sparkurs halten sie nichts. Die Logik, nun müsse der Gürtel enger geschnallt werden, werde am Ende nicht funktionieren, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang. „Denn so würden wir uns in eine wirtschaftliche und damit auch in eine soziale Krise in diesem Land hineinsparen.“ Sparpotenzial sieht Lang allenfalls bei „klimaschädlichen Subventionen“, etwa für Flugbenzin.
Der CSU schwebt ganz anderes vor. Die Schuldenbremse steht für sie nicht zur Debatte, nötig seien Einsparungen, sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der Mediengruppe Bayern. Etwa beim Heizungsgesetz. Das gehöre „sofort gestoppt“, sagt er. „Es kostet Bürger und Staat mehrere Milliarden Euro und hat kaum einen Nutzen auf den CO2-Ausstoß.“
Noch prüft die Regierung, welche Folgen das Karlsruher Urteil konkret hat. Gestern hieß es, das könne noch Tage dauern. Der Ampel-Streit vermutlich auch. mmä/dpa/afp