VON CLAUDIA MÖLLERS
Wenn das nicht konsequent ist: Gut eine Woche nach den ersten Vorwürfen, sie habe vor 30 Jahren einen mutmaßlichen Sexualtäter nicht gemeldet, ist die EKD-Ratsvorsitzende von ihren Ämtern zurückgetreten. Annette Kurschus hat die Notbremse gezogen, weil wegen der Anschuldigungen ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen wird und weil die Diskussion die Aufmerksamkeit von den Missbrauchsbetroffenen ablenke.
Noch liegt im Dunkeln, was vor 30 Jahren in Siegen geschah. Gab es sexuellen Missbrauch? Wusste Kurschus von den Vorwürfen gegen den ihr gut bekannten Mann? Die 60-Jährige, die alle Vorwürfe zurückweist, tritt zurück, weil sie erkennen muss, dass jede Debatte über die noch stockende Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kirche von Fragen um ihre Rolle überlagert werden würde. Dass sie nicht mehr frei reden kann.
13 Jahre nach Margot Käßmann muss wieder eine wortgewaltige Frau an der Spitze der evangelischen Kirche aufgeben. Frauen haben es wirklich schwer in der EKD. Aber sie sind selbstbewusst und zeigen gerade in der Niederlage Größe. Ihr konsequentes Handeln beschämt in der katholischen Geschwisterkirche etliche Bischöfe, die immer noch an ihren Ämtern kleben, obwohl ihnen Vertuschung sogar nachgewiesen wurde. Annette Kurschus tritt zurück, weil sie den Fokus wieder auf die Betroffenen lenken will. Das hat Größe, die Respekt verdient.
Claudia.Moellers@ovb.net