München/Berlin – Es ist nicht so, dass Olaf Scholz sich versteckt. Am Dienstag zum Beispiel war der Kanzler zu Gast beim Digitalgipfel in Jena und saß dort sogar auf einem Podium. Und natürlich ging es dabei nicht nur um Halbleiter, Clouds und Robotik, sondern auch ums Geld für Zukunftsinvestitionen, das seiner Regierung nun fehlt – Stichwort Haushaltsurteil. Was also tun? Scholz spricht von „Sorgfalt“, die es brauche um die Dinge zu ordnen. „Das heißt auch, dass nicht jeder gleich das, was ihm gerade auf dem Herzen liegt, rausplappern muss.“ Wen genau er damit meint, das verschweigt Scholz. Er selbst kann besagter Plapperer jedenfalls nicht sein, denn er macht es gerade wie so oft. Scholz redet hier und da – das schon, aber er sagt dabei eigentlich nichts.
Die Ampel-Regierung steckt in der wohl schwersten ihrer schon zahlreichen Krisen. Denn nachdem das Bundesverfassungsgericht die Umschichtung von 60 Milliarden Euro nicht verbrauchter Corona-Hilfen in einen Klima- und Transformationsfonds für rechtswidrig erklärt hat, fehlt dem Bündnis der Kitt, der es bisher zusammenhielt. Vor allem FDP und Grüne lagen inhaltlich schließlich ständig über Kreuz – die SPD zwischen den Stühlen. Doch mit dem großen finanziellen Spielraum konnten alle drei dennoch hoffen, ihre jeweiligen Ideen umzusetzen.
Dass das mit der Gelder-Umschichtung so funktionieren könnte, war dem Vernehmen nach während der Koalitionsverhandlungen wiederum vor allem die Idee von Scholz, die der Regierung jetzt um die Ohren fliegt. Man könnte also annehmen, dass es dem Kanzler ein Bedürfnis wäre, sich und seine Entscheidungen zu erklären. Oder zumindest zu skizzieren, wie er die nun entstehenden Probleme konkret angehen will. Scholz allerdings bleibt gewohnt unkonkret. Zur Frage, ob die geplanten zehn Milliarden Euro an Subventionen für den Bau einer Chipfabrik in Magdeburg weiter fließen können, sagte er: „Sie sehen mich jetzt hier nicht als einen Menschen ohne Zuversicht.“
Die inhaltlichen Aussageverweigerungen des Kanzlers sorgen über politische Lager hinweg für Kritik. „Ich erwarte von dem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, dass er in dieser Situation die Regierung führt“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz im ARD-Talk „Maischberger“. „Er kann doch nicht eine Woche einfach abtauchen.“
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnet Scholz‘ Verhalten als „verantwortungslos“ und forderte ihn auf, öffentlich Stellung zu nehmen. „Ich erwarte von Olaf Scholz, dass er sich mit einer Regierungserklärung an die Menschen in unserem Land wendet.“ Der Kanzler solle die Bevölkerung per TV-Ansprache informieren, „wie er den Karren aus dem Sumpf ziehen“ wolle. „Jetzt muss er beweisen, ob er Krise kann oder die Ampel vor ihrem politischen Ende steht.“ Auch die Union forderte eine Regierungserklärung.
Selbst in den eigenen Reihen nimmt das Befremden über Scholz‘ Zurückhaltung offenbar zu. „Er muss sagen, das war eine Fehleinschätzung“, fordert der Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer mit Blick auf die Finanz-Umschichtung gegenüber der „SZ“. Auch Schäfer drängt Scholz: „Ich hoffe, dass er eine Rede an die Nation hält, in der er deutlich macht, dass unser Land vor den größten Herausforderungen steht, die je eine Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik zu bewältigen hatte.“ SEBASTIAN HORSCH