FDP-Basis rebelliert gegen Ampel

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH UND CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München/Kassel – Feiern will Matthias Nölke diesen Erfolg nicht. „Mir geht es ums Land“, sagt der Vorsitzende der FDP Kassel. Seit gestern ist klar, dass sein Vorstoß für eine bundesweite Befragung der FDP-Mitglieder die nötige Unterstützung erhält. Es soll um den Verbleib der Liberalen in der Ampel-Koalition gehen – somit um die Zukunft der gesamten Bundesregierung. Zuerst aber steht noch Arbeit an. Nölke und seine Mitstreiter müssen alle von ihnen gesammelten Anträge sortieren und in Excel-Tabellen dokumentieren. Und dann möchte er die Liste der Parteizentrale übergeben – am liebsten vor Ort. „Die Frage ist allerdings, wer es dort annimmt“, sagt Nölke.

Über das Stadium harmlosen Gemaules ist die Sache jetzt raus. Aus den 26 Landes- und Kommunalpolitikern der FDP, die in einem Brief ein Überdenken der Ampel gefordert hatten, sind nun viel mehr geworden. Nölke hat 500 unterschriebene Anträge vorgelegt, eine bundesweite Befragung der 77 000 FDP-Mitglieder durchzuführen. Das ist das Quorum aus der Satzung. Nun sollen die Mitglieder mit Ja/Nein auf die Frage antworten: „Soll die FDP die Koalition mit SPD und Grünen als Teil der Bundesregierung beenden?“

Im Ergebnis steht ein Stimmungsbild, kein bindendes Votum. Allen Ampel-Beteiligten ist aber klar: Ignorieren ließe sich das nicht. Das kleine FDP-Votum hat das Potenzial, die Koalition zu sprengen. Entsprechend vorsichtig sind die Reaktionen der Parteispitze. FDP-Chef Christian Lindner verweist auf Nachfrage auf die Parteizentrale, die das Prozedere nun organisieren soll. Nach und nach dürften sich die führenden Köpfe der Partei positionieren.

Einer, der sonst auch mal querschießt und nicht mit Kritik am grünen Koalitionspartner spart, gibt sich betont zurückhaltend. „Es ist das legitime Recht von Mitgliedern, eine Befragung der Partei zu verlangen“, sagte Parteivize Wolfgang Kubicki unserer Zeitung. „Allerdings glaube ich an die Vernunft der überwältigenden Mehrheit meiner Parteifreundinnen und -freunde, nicht für eine Flucht aus der Verantwortung zu stimmen.“ Revolution klingt anders. „Wir gewinnen keinen Wahlkampf mit dem Slogan: Wir sind gescheitert“, warnt Kubicki.

Auch die FDP-Basis folgt nicht jedem Aufstand. 2011 zum Beispiel scheiterte der Mitgliederentscheid des bekannten Rebellen Frank Schäffler gegen den ESM-Mechanismus knapp an den Mitgliedern.

In Bayern und Hessen, wo die Liberalen jüngst bei Wahlen hergewatscht wurden, dürfte diesmal hingegen vermutlich ein Nest des Protests liegen. Der bayerische Ex-Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch etwa positioniert sich offen gegen die Ampel. „Diese Regierung wird in den Bereichen überbordende Migration, ausufernder Sozialstaat und Infragestellung der Schuldenbremse unsere Probleme nicht mehr lösen können“, sagt Heubisch. „Ich werde deshalb die Befragung mit Ja unterstützen und plädiere gleichzeitig trotz der schlechten Umfragewerte der FDP für Neuwahlen.“ Das hieße: mit aktuell ungewissem Ausgang, denn bei Forsa krebst die FDP aktuell bei fünf Prozent. Auch der frühere NRW-Fraktionschef Gerhard Papke freut sich. „Diese Regierung bröckelt weiter. Gut so für Deutschland“, twittert er.

Nölke selbst ist mit der Politik in Berlin übrigens wenigstens ein bisschen vertraut. Er war 2020 für ein Jahr in den Bundestag nachgerückt, jetzt ist er als Stadtkämmerer in Kassel für Finanzen und Wirtschaft zumindest noch Berufspolitiker. Wie schnell die Befragung nun stattfindet, kann er als Initiator aber auch nur mutmaßen. Möglich sei die Abstimmung online genauso wie per Briefwahl. Die Parteizentrale müsse die Anträge zunächst aber selbst noch einmal prüfen. Er hoffe, dass es danach zeitnah losgehe. „Das heißt, nicht erst im März.“

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