Die Grünen kommen zum Parteitag in Karlsruhe zusammen, doch nach einem Party-Wochenende ist in der eben noch so selbstbewussten Regierungspartei keinem mehr zumute. Nach der vom Wähler unsanft beendeten Schröder-Fischer-Ära nimmt mit der Ampel auch das zweite Rendezvous mit der Regierungsrealität für die Grünen einen höchst unromantischen Verlauf. Ein Blick in das traurige Gesicht des grünen Superstars genügt. Robert Habeck wirkt, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.
Doch lügt sich die Parteispitze in die Tasche, wenn sie für ihr Unglück allen und allem Möglichen die Schuld gibt – Putins Krieg, der FDP, den Verfassungsrichtern, den plötzlich so lieblosen Medien –, aber nicht der eigenen Politik. Tatsächlich erleben die Grünen gerade einen multiplen ideellen Kollaps: Die grün inspirierte Asylpolitik seit Merkel – gescheitert. Die Behauptung, die Dekarbonisierung einer Industrienation könne ohne Atomkraft gelingen – ein fataler Irrtum. Das Versprechen, eine radikale Klimawende sei ohne Gefährdung des Wirtschaftsstandorts und Überforderung der Bürger möglich – gebrochen. Die Einführung des als eine Art bedingungslosen Grundeinkommens konzipierten Bürgergelds – eine Bombe für Arbeitsmarkt und Staatshaushalt. Die Vorfeldorganisation „Fridays for Future“ – versunken im Antisemitismus-Sumpf.
Die in der Ampel handlungsleitenden Grünen haben nichts weniger als eine Staatskrise ausgelöst. Ex-Verehrer wie SPD und Union flüchten vor dem toxisch gewordenen Partner: in der Stadt Berlin, in Hessen, bald wohl auch im Ländle und in München. Ausgerechnet die Partei, die partout nie „deutsch“ sein wollte, zerbricht an ihrem allzu deutschen Wesen: aufgeladen mit zu viel Moral und Ideologie, kaum geerdet durch Pragmatismus. Die grüne Revolution in Deutschland ist abgesagt, und das vermutlich für lange Zeit.
Georg.Anastasiadis@ovb.net