München – Der Spott aus dem Süden fiel erwartungsgemäß beißend aus. „Das Bundesverfassungsgericht hat die Ampel zum zahnlosen Tiger gemacht“, kommentierte CSU-Generalsekretär Martin Huber das vergangene Woche ergangene Haushaltsurteil in Karlsruhe. Geklagt hatte die Union – SPD, FDP und Grüne standen in Berlin schlagartig vor einem gigantischen Finanzloch. Auch CSU-Chef Markus Söder sprach von einem „Desaster“. Die Bundesregierung habe „offensichtlich noch nicht einmal ein Bewusstsein dafür, dass sie gegen die Verfassung verstoßen hat“, schrieb er auf „X“.
Glaubt man allerdings Michael Schrodi, wäre die Bundesregierung damit in diesem Moment nicht alleine gewesen. Denn: „Dieses Urteil ist auch ein Eigentor für Bayern“, sagt der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion aus Olching unserer Zeitung. Betroffen sei davon nämlich auch der Haushalt des Freistaats.
Die SPD argumentiert so: Zwar seien in München – im Gegensatz zum Bund – im Haushaltsgesetz 2022 zwar keine sogenannten Kreditermächtigungen umgewidmet worden. Stattdessen seien aber dem Sonderfonds Corona-Pandemie zugeordnete Kreditermächtigungen schon von Anfang an zur Deckung geplanter Ausgaben vorgesehen gewesen – zum Beispiel für die „Hightech-Agenda-Plus“ oder auch für Maßnahmen zur Digitalisierung. Da es an dieser Stelle aber keinen sogenannten Veranlassungszusammenhang gebe, treffe das Karlsruher Urteil auch Bayern. Zudem steht im bayerischen Haushaltsgesetz 2022 der Satz: „Die Kreditermächtigung kann übertragen werden, soweit die Kreditmittel nicht bis zum Ablauf des Haushaltsjahres 2022 aufgenommen wurden und zur Deckung noch benötigt werden.“ Auch eine solche Übertragbarkeit könnte nach SPD-Lesart einen Verfassungsbruch darstellen, wenn man dem Urteil folgt.
In der Staatsregierung teilt man diese Sorgen offenbar nicht. „Herr Schrodi irrt“, sagt Finanzminister Albert Füracker (CSU) unserer Zeitung. Übertragungen von Corona-Kreditermächtigungen aus Vorjahren in das Jahr 2023 habe es in Bayern – anders als im Bund – nicht gegeben. Und auch für 2022 seien die Hightech-Innovationen „im Haushaltsvollzug vollständig ohne Schulden – also ganz normal aus dem Haushalt – finanziert“ worden, sagt Füracker. Auch habe sich der Schuldenstand Bayerns 2022 nicht weiter erhöht.
Dass sich im Haushaltsgesetz 2022 allerdings tatsächlich Kreditermächtigungen über 5,8 Milliarden Euro finden, die sich auf den Sonderfonds Corona beziehen und sich ausdrücklich auch auf die Hightech-Agenda-Plus erstrecken, hat Ministerpräsident Söder am Mittwochabend im ZDF-Talk „Lanz“ so erklärt: Weil der Bund es mit seinem Vorgehen vorgemacht habe, habe es auch in der bayerischen Regierung die Überlegung gegeben „ob man das so machen kann oder nicht“. Doch: „Wir haben am Ende dann alles bezahlt mit dem reellen Geld aus dem Haushalt“, sagte Söder. Und fügte an: „Insofern war das vielleicht Glück oder guter Wille.“
Was es am Ende auch war – für die SPD macht es keinen Unterschied. Ob die Mittel wirklich genutzt wurden, sei nämlich nicht der entscheidende Punkt. „Die Rechtswidrigkeit ergibt sich aus Sicht unserer Juristen schon aus der Aufstellung“, sagt Schrodi. Heißt: Dass es so drinsteht, reicht.
Wer Recht hat, wird womöglich demnächst abermals per Gerichtsurteil festgestellt. Denn die AfD hat Klage gegen den Haushalt 2022 eingereicht, wurde unserer Zeitung gestern aus Parteikreisen bestätigt. SEBASTIAN HORSCH