Rauswurf des ewigen Staatssekretärs

von Redaktion

Christian Lindner trennt sich von „Mr. Haushalt“, der vier unterschiedlichen Ministern diente

München – Es gibt diese Phänomene im Politbetrieb, die schwer zu erklären sind. Werner Gatzer ist so eines. 18 Jahre lang war er – mit ganz kurzer Unterbrechung während der schwierigen Koalitionsbildung 2018 – beamteter Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Unter höchst unterschiedlichen und vor allem sehr meinungsstarken Ministern.

Mit Peer Steinbrück (SPD) meisterte er 2008 die Finanzkrise. Mit Wolfgang Schäuble (CSU) erfand er später die schwarze Null. Mit Olaf Scholz (SPD) führte er das Land durch die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie. Immer war Gatzer – der großen Öffentlichkeit fast unbekannt – der Mann für den Bundeshaushalt. Auch unter Christian Lindner (FDP), der sich nicht am SPD-Parteibuch des jovialen Rheinländers zu stören schien.

Doch in der vergangenen Woche erlitt Gatzers, nein: erlitt Christian Lindners Haushalt vor dem Bundesverfassungsgericht schweren Schiffbruch. Und damit endet nun die Karriere des inzwischen 65-jährigen „ewigen Staatssekretärs“, wie er gerne betitelt wurde. Am Freitag verschickte das Ministerium eine maximal nüchterne Erklärung: „Bundesfinanzminister Christian Lindner hat entschieden, Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer zum 31.12.2023 in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen.“ Nach so einer langen Zeit sei diese harte Formulierung schon ungewöhnlich, heißt es in FDP-Kreisen. Sie zeige, wie sauer Lindner auf denjenigen sei, der sich das Konstrukt des Klima- und Transformationsfonds ausgedacht habe. Damals war übrigens noch Scholz Minister.

Das Ministerium hatte sich einen Trick ausgedacht: Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro, die man eigentlich nur für die Bekämpfung der Corona-Krise aufnehmen durfte, wurden einfach zur Bekämpfung der Klima-Krise umgewidmet. Das Verfassungsgericht erklärte dies für verfassungswidrig. Offenbar traute Lindner Gatzer nicht mehr zu, die daraus resultierenden Probleme zu meistern. Womöglich sperrte sich der Haushälter aber auch gegen die erneute Aussetzung der Schuldenbremse. „Die Finanzpolitik steht vor großen Herausforderungen, die sowohl fiskalisch als wirtschaftspolitisch adressiert werden müssen“, hieß es etwas kryptisch in der Erklärung. Die Aufgabe übernimmt nun Wolf Reuter, bislang Leiter der Grundsatzabteilung im Ministerium.

Von Gatzer ist ein schönes Zitat überliefert. „Es gibt in der Bundesregierung rund 20 000 Mitarbeiter. Davon wollen 19 800 Geld ausgeben und 200 sparen. Die 200 sitzen in der Haushaltsabteilung.“ Gatzer an ihrer Spitze. Ins Haus gekommen war der damals noch junge Jurist schon 1990. Damals hieß der Minister Theo Waigel. Ende 2025 wäre ohnehin Schluss gewesen.

„Es war eine aufregende, interessante, herausfordernde Zeit“, sagte Gatzer der Nachrichtenagentur Reuters. Das Ministerium würdigte noch den „hohen persönlichem Einsatz“ Gatzers, der sich „um unser Land verdient gemacht“ habe. Doch ob es klug ist, mitten im Sturm den kundigsten und erfahrensten Haushälter auszutauschen, muss sich erst noch erweisen. MIKE SCHIER

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