Gaza/Tel Aviv – Es ist bereits dunkel, als mehrere Geländewagen des Roten Kreuzes den Grenzübergang Rafah passieren: Knapp sieben Wochen nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel und dem Beginn des Gaza-Kriegs sind am Freitagabend die ersten Geiseln infolge eines Abkommens freigekommen. Eine Gruppe von 24 aus Israel verschleppten Menschen konnte den Gazastreifen verlassen, bestätigten das Internationale Komitees vom Roten Kreuz und mehrere Politiker.
Nach Angaben des Vermittlers Katar waren unter den Freigelassenen 13 Israelis, zehn Thailänder und ein philippinischer Staatsbürger. Auch die Namen von vier Personen, deren Familien sie als Deutsche benannt hatten, stehen auf der Liste. Darunter waren eine 34-Jährige sowie ihre beiden Töchter im Alter von zwei und vier Jahren sowie eine 77-Jährige; alle von ihnen haben zwei Pässe.
Sie sei unheimlich erleichtert, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in einer ersten Reaktion. Sie dankte den beteiligten Staaten, darunter Katar und Ägypten. „Die Freilassung aller verbliebenen Geiseln, insbesondere auch der Deutschen unter ihnen, bleibt für uns oberste Priorität“, erklärte sie. „Das war erst der Anfang“, sagte am Abend US-Präsident Joe Biden. „Die heutige Freilassung ist der Beginn eines Prozesses.“ Er erwarte am Samstag, Sonntag und Montag die Freilassung weiterer Geiseln
Im Gegenzug ließ Israel 39 noch am Abend palästinensische Häftlinge freilassen. Die Straftäter wurden nin Baytunia wie Helden empfangen und auf den Schultern durch den Ort getragen, begleitet von Feuerwerken.
Nur Stunden zuvor war eine Feuerpause in Kraft getreten, mit deren Beginn auch die Ausweitung humanitärer Hilfslieferungen in den Gazastreifen anlief. Die von Israel und der Hamas ausgehandelte Waffenruhe soll mindestens vier Tage dauern. Gemäß der Vereinbarung sollen in dieser Zeit 50 Geiseln freikommen. Eine Verlängerung der Feuerpause auf bis zu zehn Tage ist möglich, wie das vermittelnde Golfemirat Katar mitgeteilt hatte. Insgesamt sieht die Vereinbarung einen Austausch von bis zu 100 Geiseln aus Israel gegen bis zu 300 palästinensische Häftlinge vor.
Die freigelassenen israelischen Geiseln – nach einer offiziellen Liste sind es Frauen und Kinder – wurden nach Armeeangaben zunächst in geschützten Räumen in Israel untergebracht. Spätabends wurden sie mit Hubschraubern in Krankenhäuser gebracht, wo sie auch ihre Familien treffen können.
Das israelische Militär rief die Öffentlichkeit und die Medien zu Geduld und Sensibilität auf. „Wir bitten alle darum, die Privatsphäre der freigelassenen Geiseln und ihrer Familien zu respektieren.“ Psychologen gehen davon aus, dass besonders die Kinder nach sieben Wochen Geiselhaft schwer traumatisiert sein könnten.
Bei den palästinensischen Häftlingen, die entlassen wurden, geht es Angaben der palästinensischen Häftlingskommission um 24 Frauen und 15 Jugendliche. Der Älteste sei 19 Jahre alt.
Augenzeugenberichten zufolge machten sich nach Inkrafttreten der Feuerpause am Morgen Hunderte palästinensische Binnenflüchtlinge auf den Weg, um in ihre Wohnorte zurückzukehren. Die Menschen wollten etwa in der Stadt Gaza und in anderen Teilen des nördlichen Gazastreifens nach ihren Häusern oder Wohnungen sowie ihren Angehörigen sehen, hieß es am Freitagmorgen. Das israelische Militär warnte jedoch, es sei verboten, sich vom Süden in den Norden des Küstengebiets zu begeben. Die israelische Armee hatte bereits vor Beginn der Feuerpause gewarnt, der Krieg sei nicht vorbei.