„Wählertäuschung“: Aiwanger attackiert CSU

von Redaktion

Weber wählen, von der Leyen kriegen: Harter Europawahlkampf in Bayern – Kritik an Müller

München – Der Scheinfrieden hielt nicht mal bis Dezember. Am Samstag holt Hubert Aiwanger, wie so oft per Twitter, kräftig aus und macht dem Koalitionspartner CSU schwere Vorwürfe. „Wählertäuschung“, verbreitet er und verspottet den Listen-Parteitag der Christsozialen. Wen auch immer sie da aufstellen: „Die Wahrheit ist – wer CSU-Weber gewählt hat, hat von der Leyen bekommen.“

Aiwanger, Chef der Freien Wähler, sucht einen wunden Punkt bei seinen Partnern, indem er an die Europawahl 2019 erinnert. Da war Manfred Weber EU-weiter Spitzenkandidat der Konservativen – aber am Ende wurde Ursula von der Leyen, die für nichts kandidiert hatte, Kommissionspräsidentin. Die Konstellation diesmal ist etwas anders: Die CSU schickt in Bayern Weber ins Rennen, von der Leyen wird wohl europaweit Spitzenkandidatin der Konservativen. Sie hat sich zwar seit Monaten nicht dazu erklärt, in der Union wird aber mangels Alternativen mit ihr gerechnet.

Der Streit zeigt: Für die CSU werden die Freien Wähler ein unangenehmer Gegner bei dieser Europawahl. Es ist ein Rivale ebenfalls mit Bayern-Fokus: Als Spitzenkandidatin schickt die Aiwanger-Partei Landesbäuerin Christine Singer ins Rennen.

Die CSU nimmt den Kampf mit Aiwanger an diesem Wochenende auf. Mehrere Redner betonen bei ihrer Listenaufstellung am Samstag in Nürnberg, die einzige rein bayerische Kraft für Europa sei die CSU. Zudem knöpft sich der Chef der Jungen Union, Christian Doleschal, eine Kollegin von den Freien Wählern persönlich vor. Er verlangt von der frisch in den Landtag gewählten Europaabgeordneten Ulrike Müller, von ihrem Brüsseler Mandat zurückzutreten.

Müller (60) plant eigentlich, beide Posten im Landtag und im Europaparlament bis Juli 2024 nebenher zu betreiben – vom Arbeitsaufwand her erscheint das seriös nur schwer möglich, zumal sie nun auch noch den Europa-Ausschuss im Landtag führen soll. Erste Sitzungen versäumte sie bereits. „Es gibt keinerlei Verständnis in der Bevölkerung, in zwei Vollzeit-Parlamenten zu sitzen“, sagt Doleschal. „Mindestens eines“ ihrer Mandate solle Müller räumen. Pikanter Hintergrund: Nachrücker wäre ein Kandidat, der mit Aiwanger gebrochen hat.

Die CSU selbst hat derweil ihre Listenplätze ohne offenen Streit vergeben. Beim Delegiertentreffen in Nürnberg wurde Weber (51) mit 96 Prozent auf Platz eins der Liste gewählt; 240 von 250 abgegebenen Stimmen, zehnmal ein Nein. Auf die Plätze zwei bis sechs wurden mit jeweils über 90 Prozent die Europaabgeordneten Angelika Niebler, Doleschal, Monika Hohlmeier und Markus Ferber sowie als Neuling der Agrarfunktionär Stefan Köhler gewählt. Eins bis fünf gelten als realistisch für die CSU. Später folgen unter anderem die Münchner Tina Pickert und Bernd Posselt sowie aus Oberbayern Nicola Gehringer. Die Liste ist starr, Wähler können die Reihung nicht verändern.

Thema des Parteitags war auch die harte Abgrenzung von der AfD. Weber sprach von „Nazis und Neonazis“ – man werde sich von ihnen dieses Europa nicht kaputtmachten lassen. Er formulierte als sein Wahlziel aber auch die Ablösung rot-grüner Tendenzen in Europa. Er nannte dabei das für 2035 geplante Verbrenner-Aus für Pkw eine „schwere Fehlentscheidung“.

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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