Warum sich die CSU über Multi-Müller ärgert

von Redaktion

Die FW-Abgeordnete gerät mit ihrem Doppel-Mandat in die Kritik – „Ich kann das schaffen“

München – Nein, faul ist sie nicht. Der Montag hat um 4:30 Uhr für Ulrike Müller begonnen, um rechtzeitig nach Brüssel ins Europaparlament zu kommen. Heute will sie die letzte Maschine zurück erwischen, um es morgen früh im Landtag in den Agrarausschuss zu schaffen. Es klingt nach einer ziemlichen Hetzerei. Aber, weniger freundlich gesagt: Selber schuld.

Müller, 60, ist Bayerns derzeit einzige Doppel-Abgeordnete und als solche gerade wüst in die Kritik geraten. Die Freie-Wähler-Politikerin ist frisch in den Landtag gewählt, will aber ihr Mandat als EU-Abgeordnete bis Juli 2024 fertig machen. Es sind zwei Vollzeit-Jobs, zwei Parlamente in 602 Kilometer Entfernung. Hinzu kommt, dass Müller in München kommissarisch den Europaausschuss leiten muss, weil der der AfD zustehende Vorsitz nicht besetzt wurde. Eigentlich ist es unmöglich, alles gleichzeitig zu erledigen. Die CSU fordert Müller deshalb auf, „mindestens eines“ ihrer Mandate abzugeben. Sie verhöhne ihre Wähler, schimpfen führende Europaabgeordnete.

Wer mit Müller spricht, ein Telefonat zwischen zwei EU-Sitzungen, bekommt den Eindruck: Die Schärfe der Attacken trifft sie. Vor allem von der CSU, die in München ein Koalitionspartner und in Brüssel ein in Fachfragen oft enger Verbündeter ist. „Ich habe mir genau überlegt, ob ich das schaffen kann oder nicht“, sagt sie. Sie wolle die wichtigsten EU-Vorhaben unbedingt noch selbst abschließen, nennt Pläne aus dem Klima- und Agrarbereich. Ihr Wochenplan: Montag und Donnerstag EU, Dienstag und Mittwoch Landtag. Sie arbeite dafür rund um die Uhr; die CSU sei nur „massiv nervös“.

Müller hat aus dem Doppel-Job kein Geheimnis gemacht, das vor drei Wochen selbst kundgetan. Auch Details zum Geld: Die EU-Diäten bekommt sie, knapp 10 000 Euro plus 4800 Euro Kostenpauschale. Die 9215 Euro Landtags-Diäten werden ihr gestrichen, sagt sie. Die Kostenpauschale für Landtagsabgeordnete, 3984 Euro, bekommt sie und will damit den Aufbau eines Bürgerbüros in Schwaben finanzieren. Falls etwas übrig bleibe, könne sie es spenden. „Ich kann nicht sagen, dass ich ein schlechtes Gewissen habe.“ Am Ende spare ihr Doppel-Job dem bayerischen Steuerzahler eine komplette Diät.

Richtig glücklich sind dennoch viele im Landtag nicht mit der (eigentlich beliebten und freundlichen) Frau Multi-Müller. Sie mag sich aufreiben in der Doppelrolle, der Vorwurf der Diäten-Abzocke greift wohl nicht. Erlaubt ist der Zweifach-Job, zumindest solange sie nicht Ministerin ist. Aber entsteht der Eindruck, so ein Mandat allein sei wohl keine tagesfüllende Aufgabe? Es gebe „keinerlei Verständnis in der Bevölkerung, in zwei Vollzeitparlamenten gleichzeitig zu sitzen“, sagt ihr Brüsseler CSU-Kollege Christian Doleschal. Der CSU-Landtagsabgeordnete Gerhard Hopp sagt, er sei „verwundert“ und würde ihr im Europaausschuss-Vorsitz „zu etwas mehr Demut vor der wichtigen Aufgabe raten“. Hopp sitzt im Gremium.

Hinzu kommt ein pikanter Gedanke: Bleibt Müller nur deshalb, um einen Aiwanger-Kritiker als Nachrücker in Brüssel zu verhindern? Sollten die Freien Wähler auf Doppelmandate verzichten, wäre nächster Nachrücker Bernd Barutta aus Baden-Württemberg. Der hat sich im Sommer mit seinem Vorsitzenden Hubert Aiwanger überworfen („menschlich eine Katastrophe“). Barutta trat aus der Partei sogar aus.

Müller weist auch das zurück. Erster Nachrücker sei ein anderer Landtagsabgeordneter aus Rheinland-Pfalz, der die Brüsseler Aufgabe dann annehmen würde, sagt sie – mit Doppelmandat.

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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