Warschau – Glaubt man Polens abgewähltem Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, dann steht er direkt vor einer neuen Amtsperiode. „Die Regierung wird deutlich kleiner, es werden ihr viele Frauen angehören, sie wird aus Politikern und Experten bestehen“, kündigte der 55-Jährige kürzlich an. Das Problem ist nur: Morawieckis nationalkonservative PiS hat im neuen Parlament keine Mehrheit – und auch keinen Koalitionspartner.
Die Parlamentswahl am 15. Oktober hat ein anderer gewonnen: der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er hat ein Dreierbündnis von proeuropäischen Parteien mit einer klaren Parlamentsmehrheit hinter sich. Der Koalitionsvertrag steht, die Ressortaufteilung ist geklärt. Tusk könnte sofort loslegen.
Trotzdem wollte Präsident Andrzej Duda am Montagnachmittag ein chancenloses Kabinett von politischen Nobodys unter Führung von Morawiecki vereidigen. Doch Morawieckis Regierung ist reines Theater. In spätestens 14 Tagen muss er im Parlament die Vertrauensfrage stellen, und sein Kabinett wird krachend durchfallen. Polnische Medien spotten über die „Zwei-Wochen-Regierung“ und „Morawieckis Krippenspiel“.
Seit mehr als sieben Wochen sind die Polen Zeugen dieser bizarren Inszenierung der PiS. Eigentlich ist allen klar, dass am Ende Donald Tusk die Regierung übernehmen wird. Doch die Rechtspopulisten, die das Land seit 2015 regiert hatten, kleben an ihren Sesseln.
In Brüssel und Berlin wartet man hoffnungsvoll auf den Regierungswechsel in Warschau. Denn die PiS lag wegen ihrer Justizreform im Dauerclinch mit der EU-Kommission, die Bundesregierung nervte sie mit ihrer Forderung nach Weltkriegsreparationen in Billionenhöhe. Tusk dagegen steht für einen proeuropäischen Kurs und eine versöhnlichere Politik gegenüber Deutschland. Der 66-Jährige war schon von 2007 bis 2014 Regierungschef.
Bis er es wieder wird, kann es fast Weihnachten werden. Mit ihrer Verzögerungstaktik verfolgt die PiS mehrere Ziele. Sie will Tusk den Start vermasseln. Sie kann die Zeit nutzen, um noch lukrative Posten zu besetzen. Polnische Medien berichten auch, dass in den Ministerien derzeit viel Datenmaterial vernichtet werde. In erster Linie wolle die PiS aber ihr Image vor den eigenen Wählern retten, sagt der Politologe Antoni Dudek. „Das ist eine Demonstration, dass die Partei kämpft und nicht aufgibt.“
Einen Verbündeten für ihre Manöver hat die PiS im Präsidentenpalast. Staatsoberhaupt Duda stammt selbst aus ihren Reihen. Er war es, der trotz der Mehrheitsverhältnisse im Parlament den Auftrag zur Regierungsbildung an Morawiecki vergab. Und Duda will offenbar alle in der Verfassung vorgesehenen Fristen bis zum Maximum ausreizen.
Parlamentspräsident Holownia rechnet damit, dass die Tusk-Regierung am 11. oder 12. Dezember beginnen könnte. Doch auch hier hat Präsident Duda das letzte Wort. Aus seiner Kanzlei hieß es, der Präsident wolle Tusk am 13. Dezember vereidigen. Das wäre eine weitere Boshaftigkeit. Denn am 13. Dezember 1981 verhängte das damalige kommunistische Regime das Kriegsrecht – eine schwarze Stunde in Polens Geschichte. DORIS HEIMANN