Die Frau, die Trump stoppen will

von Redaktion

Die Chancen der Republikanerin Nikki Haley auf das Weiße Haus steigen nach drei Debatten

VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

Washington – Zwei Jahre lang, 2017 und 2018, diente die heute 51-jährige Republikanerin Nikki Haley als UN-Botschafterin der USA. Deshalb sollte man meinen, dass die Tochter von Einwanderern aus Indien stets diplomatisch agiert. Doch die jüngste TV-Debatte der konservativen Präsidentschafts-Kandidaten belehrte die Nation eines Besseren. „Sie sind Abschaum“, fauchte sie einen Mitbewerber an. Der hatte es gewagt, Haleys Tochter Rena mit in die Debatte zu ziehen – und erwähnt, dass diese die Internetplattform TikTok nutze. Das schien ihm relevant, weil Haley für ein Verbot von TikTok in den USA plädiert – unter Hinweis auf die chinesischen Wurzeln der Plattform und die Gefahr, dass Nutzer ausspioniert werden.

Mit der „Abschaum“-Bemerkung gegenüber ihrem Parteifreund Vivek Ramaswamy, wie Haley indischer Abstammung, machte die frühere Gouverneurin des Bundesstaates South Carolina deutlich, dass sie einstecken und austeilen kann. Und das kommt bei der Basis der „Grand Old Party“ an. Haley, die als Gouverneurin auch deshalb Geschichte schrieb, weil sie als erste Nicht-Weiße und erste Frau diesen Posten sechs Jahre lang in dem traditionell konservativen Südstaat bekleidete, hat sich hinter dem Umfragefavoriten Donald Trump auf Position zwei etabliert. Eine aktuelle CNN-Erhebung zeigt, dass Trump im wichtigen Bundesstaat New Hampshire – wo am 23. Januar 2024 Vorwahlen abgehalten werden – zwar mit 42 Prozent führt, dass Haley aber mit 20 Prozent folgt. Abgeschlagen folgen dann der frühere Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, Floridas Gouverneur Ron DeSantis und der Unternehmer Ramaswamy.

Und die Umfrage enthält noch eine wichtige Zahl: 54 Prozent der Republikaner könnten sich damit anfreunden, wenn die Partei am Ende nicht Trump, sondern Haley nominieren würde.

Weil sich der Wind in Umfragen schnell drehen kann, versucht Haley, sich mit allen Kräften von Trump abzusetzen. Einer ihrer Kernsätze lautet: „Wo immer sich Trump befindet, folgt ihm Chaos.“ Das ist auch eine Anspielung auf die massiven juristischen Probleme des Ex-Präsidenten, der in mittlerweile vier Strafverfahren angeklagt ist und der bei einer möglichen Verurteilung den Wahltag im November 2024 durchaus hinter Gittern verbringen könnte.

Sollte es zu einem Schuldspruch vor August kommen, in dem die Republikaner formell den Gegner von Joe Biden bestätigen müssen, dürfte Haley beim Parteitag auf eine Kampfabstimmung drängen und könnte Trump so doch noch verhindern – wenn sie dies bei den Vorwahlen in den US-Bundesstaaten nicht schafft. Ein Vorteil für sie wäre auch, dass sie wohl die Mehrheit der konservativen Frauen hinter sich versammeln könnte, die von Trump nicht wirklich begeistert sind.

Selbst für einen Teil der sonst liberal wählenden Frauen könnte sie interessant sein, da sie ein vollständiges Verbot von Abtreibungen ablehnt und für einen „nationalen Konsens“ zwischen den Parteien plädiert. Zudem will sie, was gerade bei jungen Wählern populär ist, einen „Generationswechsel in Washington“.

Haley verfügt über exzellente außen- und sicherheitspolitische Kenntnisse, was angesichts der derzeitigen Konfliktfelder ein großer Vorteil als Präsidentin sein könnte. So unterstützt sie vorbehaltlos die Offensive Israels und sieht in der Eliminierung der Hamas-Terroristen die einzige Option für die Zukunft in Nahost.

Zudem ist sie, was die bisherigen Debatten zeigten, eloquent, faktensicher und argumentativ nur schwer in die Enge zu treiben. Aufgrund ihrer steigenden Popularität buchte sie unlängst in den Staaten Iowa und New Hampshire Anzeigen für TV-, Radio- und digitale Werbung im Wert von zehn Millionen US-Dollar – im Wissen, dass auch Favoriten wie Trump bei einem guten Start eines anderen Bewerbers ins Straucheln geraten können. Und: Haley erhält nun auch noch erhebliche organisatorische und finanzielle Hilfe. Die einflussreiche Organisation Americans for Prosperity, die von den Milliardär-Brüdern Charles und David Koch gegründet wurde, sprach ihr am Dienstag ihre Unterstützung aus. Die streng konservativen und sehr reichen Koch-Brüder gelten auch als Wegbereiter der rechten Tea-Party-Bewegung innerhalb der republikanischen Partei.

Trump hat sich zuletzt wegen der Attacken gegen Israel erneut mit einem Einreiseverbot für Muslime ins Gespräch gebracht – Haley teilt eine solch extreme Position nicht. Niemand dürfe aufgrund seiner Religion an einer Einwanderung oder Einreise gehindert werden, so die Kandidatin. Ein solcher Bann sei „unamerikanisch“.

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