Berlin/München – Der Doppel-Pass soll von der Ausnahme zur Regel werden – so sieht es jedenfalls der Plan der Ampel-Koalition vor. Vor drei Monaten einigte sie sich auf einen Gesetzesentwurf für ein „modernes Staatsangehörigkeitsrecht“. Endgültig entschieden ist aber noch nichts. Heute befasst sich das Parlament mit den Plänen der Regierung.
Das plant die Koalition: Die Ampel will das Staatsangehörigkeitsrecht grundsätzlich ändern. So soll es künftig einfacher werden, einen deutschen Pass zu erhalten. Ausländer sollen schon nach fünf statt bisher nach acht Jahren eingebürgert werden können, wenn sie zum Beispiel ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Auch die doppelte Staatsbürgerschaft soll möglich sein.
Vor allem um diesen Punkt gibt es immer wieder politischen Streit. Bislang mussten Menschen, die eine deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, ihren alten Pass abgeben – denn in der Verfassung ist geregelt, dass eine Mehrstaatigkeit vermieden werden soll. Ausnahmen gab es nur für Bürger aus der EU, der Schweiz und aus Ländern, die ihre Bürger nicht aus der Staatsangehörigkeit entlassen. Seit 2014 bekommen auch in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern beide Pässe, müssen sich also nicht für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Die Ampel will jetzt mit dem neuen Gesetz den Doppel-Pass für alle ermöglichen.
Vor allem bei den rund 1,5 Millionen Türken in Deutschland – die größte ausländische Bevölkerungsgruppe hier – wird mit einer großen Nachfrage gerechnet. Das Bundesinnenministerium erklärt: „Damit wird Zugewanderten gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, ohne den Bezug zu ihrem Herkunftsland komplett zu kappen.“
Umgekehrt gilt die Doppel-Pass-Möglichkeit auch für Deutsche, die eine zusätzliche Staatsangehörigkeit wollen – etwa weil sie im Ausland leben und arbeiten.
So viele Doppel-Pässe gibt es: Laut Mikrozensus 2022 leben in Deutschland knapp drei Millionen Doppel-Staatler. Den größten Anteil machen dabei 386 000 Menschen aus, die neben der deutschen auch die polnische Staatsbürgerschaft haben. Dahinter folgen 316 000 Personen mit der russischen und deutschen sowie 290 000 Menschen mit der türkischen und deutschen Staatsbürgerschaft. Im Vergleich zum Zensus 2011, als rund 4,3 Millionen Doppel-Staatler gezählt wurden, wirken diese Zahlen – unter Beachtung der gestiegenen Migration – allerdings gering. Die Ursache für die starke Abweichung dafür liegt wohl darin, dass beim Mikrozensus die Befragten über ihre Staatsangehörigkeit selbst Auskunft geben – das Statistische Bundesamt vermutet, dass viele ihre zweite Staatsangehörigkeit vergessen, verschweigen oder davon ausgehen, dass sie sie bei der Einbürgerung in Deutschland verloren haben. Die tatsächliche Zahl der Doppel-Pässe dürfte also höher sein. Der Entzug des Passes: Das Grundgesetz und das Verfassungsgericht setzen sehr enge Regeln. Niemand darf staatenlos werden. Ein Doppel-Pass kann in krassen Fällen entzogen werden, wenn sich der Inhaber von Deutschland abwendet. Ein Beispiel sind Kampfhandlungen für eine Terror-Organisation. Die CSU will das per Gesetz massiv erleichtern. Wer sich „erheblich strafbar“ gemacht habe, müsse den deutschen (Doppel-)Pass verlieren, verlangt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Er nennt „schwere antisemitische Gewalttaten oder schwere Straftaten wie Mord oder Vergewaltigung“. Dazu müsste das Grundgesetz geändert werden.
So stehen die Bürger dazu: Der Zuspruch für den Doppel-Pass hält sich in Grenzen. Laut einer Umfrage des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung aus der ersten Jahreshälfte beurteilen 43 Prozent der Bevölkerung die doppelte Staatsangehörigkeit positiv. 37 Prozent finden sie schlecht. Jeder fünfte äußerte sich weder positiv noch negativ. Etwas mehr Zustimmung gibt es für die erleichterte Einbürgerung: Knapp die Hälfte findet es gut, dass man in Zukunft leichter an den deutschen Pass kommt – 37 Prozent sehen das eher negativ.