So sicher sind die Weihnachtsmärkte

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN UND NADJA HOFFMANN

München – Es soll die Zeit des Friedens und der Besinnlichkeit sein. Doch stattdessen beginnt die Adventszeit mit einer erneuten Angst vor dem Terror. Als vorgestern bekannt wird, dass zwei IS-Sympathisanten einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Leverkusen geplant hatten (siehe Kasten), ruft das schreckliche Szenen in Erinnerung: Seit Anis Amri 2016 am Berliner Breitscheidplatz mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge gesteuert ist, herrscht auf belebten Weihnachtsmärkten ohnehin schon höchste Sicherheitsstufe. Nun verschärft der Krieg in Nahost die Sorge vor islamistischen Attacken.

Die Festnahmen in NRW sind auch Thema bei der Polizei in München. „Sie fließen in unsere aktuellen Bewertungen ein“, sagt Präsidiumssprecher Werner Kraus. Gleiches gelte für die Entwicklungen in Nahost. Grundsätzlich stellt Kraus aber klar: „Für München gibt es momentan keine Erkenntnisse hinsichtlich einer konkreten Gefährdung der Christkindlmärkte.“ Zum Münchner Sicherheitskonzept für die Christkindlmärkte gehören unter anderem Betonpoller, schwere Pflanzentröge und technische Sperren, die einen Anschlag mit einem Lastwagen verhindern sollen. Das Polizeipräsidium schickt zudem uniformierte sowie zivile Einsatzkräfte zum Budenzauber in der Innenstadt. Sandro Heymig, Leiter der Altstadtwache, nennt ungern konkrete Zahlen. „Wir zeigen Präsenz.“ Je nach Tageszeit mischen sich aber über 40 Beamte unter die Marktbesucher.

In ganz Bayern gibt es keine konkreten Hinweise für Anschläge auf Weihnachtsmärkte. „Angesichts der brisanten weltpolitischen Lage sind wir aber höchst wachsam“, sagt Innenminister Joachim Herrmann gegenüber unserer Zeitung. Laut Verfassungsschutzbericht wurden in Bayern vergangenes Jahr 4200 Menschen islamistischen Vereinigungen zugerechnet. Die Terroranschläge der Hamas gegen Israel könnten Extremisten zwar „zu Anschlägen anstacheln“, so der CSU-Politiker – es gebe aber trotzdem „keinen Grund“, auf einen Christkindlmarktbesuch zu verzichten. Die Veranstalter würden sich mit Polizei und Sicherheitsbehörden eng abstimmen, für jeden Markt gebe es „maßgeschneiderte Sicherheitskonzepte“ – etwa Videoüberwachung oder Zufahrtssperren für Fahrzeuge.

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser meint, dass der Gaza-Krieg unmittelbare Auswirkung auf die Sicherheitslage in Deutschland habe. „Wir sind in den letzten Wochen so konsequent gegen die islamistische Szene vorgegangen, weil wir die veränderte Bedrohungslage genau im Blick haben“, sagt die SPD-Politikerin. Vor Bekanntwerden der Festnahmen in NRW hatte der Verfassungsschutz gewarnt, dass die Gefahr für Terroranschläge deutlich gestiegen sei.

„Natürlich heizt der Nahost-Konflikt die Stimmung auf“, sagt Hans-Jakob Schindler, Terrorismus-Experte vom Counter Extremism Project (CEP) in Berlin. „Aber die Terror-Gefahr in Europa hat zuvor schon zugenommen.“ Im Juli etwa wurde eine IS-Terrorzelle in NRW hochgenommen, die mehrere Anschlagsziele ausgekundschaftet hatte. „Wir hatten im Sommer diese diffuse Bedrohungslage – und darauf trifft jetzt der Gaza-Krieg wie ein Brandbeschleuniger.“ Die Hamas habe es mit dem Massaker am 7. Oktober geschafft, eine Reihe von Trittbrettfahrern zu Anschlägen zu motivieren. „Der Islamische Staat will nun zeigen, dass es ihn auch noch gibt. Den Terroristen geht es immer um Aufmerksamkeit in den Medien.“

Trotz der erhöhten Gefährdungslage appelliert Schindler, den Sicherheitsvorkehrungen der Behörden zu vertrauen – Weihnachtsmärkte seien heute wesentlich sicherer als noch vor einigen Jahren. Sprich: vor dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz.

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