WIE ICH ES SEHE

Wir sagen euch an den lieben Advent

von Redaktion

Als junges Ehepaar haben wir einige Jahre in der Gemeinde Hamm-Mark gelebt, mitten in Westfalen. Dort gab es einen wunderschönen Brauch. An jedem Jahr am Morgen des ersten Advent-Sonntages zog der Chor unserer evangelischen Kirchengemeinde durch den kleinen Ort. Begleitet von Posaunen erklang das Lied: „Wir sagen euch an eine fröhliche Zeit.“ Oder auch „Wir sagen euch an den lieben Advent“. So wurden wir geweckt.

Das waren Jahre, in denen wir noch mehr mit dem kirchlichen Jahresablauf verbunden waren, als die meisten von uns es heute sind. Der Kalender hat in diesem Jahr die Besonderheit, dass der 4. Advent ein Sonntag ist, der mit dem Heiligabend am 24. Dezember zusammenfällt. Die Adventszeit erscheint dann kürzer. Das ist in jedem siebten Jahr der Fall, wobei Schaltjahre natürlich auch eine Rolle spielen, sodass die Reihe der Jahre, in denen Heiligabend ein Sonntag ist, unregelmäßig ist. Das letzte Mal war es 2017 der Fall.

In diesem Jahr mit zwei Kriegen in unserer Nähe und einer von Diktatoren bedrohten Weltordnung brauchen wir alle Kraft, um eine fröhliche Zeit zu erwarten.

Die größte Sorge sind die stärker werdenden Anzeichen, dass Wladimir Putin seinen Angriffskrieg, den er am 24. Februar 2022 gegen die Ukraine gestartet hat, am Ende gewinnen könnte. Er ist gerüstet auch mit Hilfe aus dem Iran wie Nordkorea und hat dazu seine eigene Rüstungsindustrie hochgefahren. Die westliche Überzeugung, dass die Ukraine aus dem Krieg hervorgehen wird (und muss) als eine blühende europäische Demokratie, wird mehr und mehr untergraben.

Der Westen könnte viel mehr tun in seiner wirtschaftlichen Überlegenheit, die Ukraine zu unterstützen. Speziell in Europa aber schreitet die Gleichgültigkeit gegenüber dem Geschehen und das bei vielen Politikern fehlende strategische Denken voran. In den USA kämpft die Biden-Regierung mit dem Kongress um weitere Milliarden für das bedrängte Land. Indessen hofft Putin, dass im nächsten Jahr Donald Trump dort wieder gewählt wird.

Zu wenige von uns aber erkennen, dass es nicht nur um die Ukraine, sondern um Europa geht. Gewinnt Putin in Kiew, dann steht der Nato mit Russland ein kriegserfahrener, hochgerüsteter Mafia-staat gegenüber. Unsere Gefährdung wird dann nicht kleiner, sondern größer. Dann sind wir hilflos, weil wir uns kaum verteidigen können.

In den frommen Jahrhunderten war der Glaube, dass in der Not nur Gott helfen kann, allgegenwärtig. Die vielen Votivtafeln in katholischen Kirchen und Kapellen zeugen davon. Und im Alten Testament steht: „Am Tage meiner Heimsuchung habe ich Gott gesucht und ich bin nicht enttäuscht worden.“

Solche tiefgläubige Frömmigkeit können die meisten von uns nicht mehr nachvollziehen. Die Adventswochen aber sind eine gute Zeit, daran zu denken, dass immer Hoffnung bleibt und dass die Welt niemals in allem verloren sein wird.

Ippen@ovb.net

VON DIRK IPPEN

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