Russlands Umgang mit Nawalny

Es kann jeden treffen

von Redaktion

VON MARC BEYER

Man kann, so zynisch das klingt, allmählich den Überblick verlieren, wie lange der Kremlkritiker Alexej Nawalny noch in russischen Gefängnissen schmoren muss. Das erste Strafmaß, schon damals eine Farce, lag bei dreieinhalb Jahren, mittlerweile sind es über 30, doch auch das ist Wladimir Putin nicht genug. Soeben wurde ein neues Verfahren gegen Nawalny eröffnet, diesmal allen Ernstes wegen Vandalismus. Drei weitere Jahre drohen dem prominentesten Häftling des Landes.

Auch das dürfte nicht das letzte Wort bleiben, die Willkür kennt keine Grenzen. Als Nawalny Anfang 2021 in seine Heimat zurückkehrte, war ihm bewusst, dass der Kreml nur darauf wartete, ihn wegzusperren. Dennoch schockiert die Erbarmungslosigkeit des Regimes. Vordergründig zielt sie auf Nawalny und dessen Strahlkraft, jede weitere Strafe ist auch ein Signal an alle Oppositionellen. Doch dabei belässt es Putin nicht.

Der Mann, dessen Macht noch im Sommer bröckelte, demonstriert wenige Monate vor der Präsidentenwahl eiserne Härte. Sie kann alle treffen. Gerade ist die LGBT-Bewegung verboten worden, sofort gab es erste Razzien. Russland, der Demokratie ohnehin nie verdächtig, wandelt sich zu einem totalitären Staat, in dem jeder, der in seinem Denken und Leben ein bisschen frei sein will, verfolgt wird. Hoffnung ist so bald nicht in Sicht, weder für Nawalny noch für seine Landsleute.

Marc.Beyer@ovb.net

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