„Bahn muss sich besser aufstellen“

von Redaktion

Über den „Flockdown“ spotten die Zeitungen: Nach dem ersten Wintereinbruch geht in Bayerns Bahn-Verkehr tagelang nichts mehr. Ein unabwendbares Ereignis, stark gemanagt? Oder eine Peinlichkeit ersten Ranges? Wir haben mit Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) gesprochen, ob und welche Fehler er sieht – und ob es Konsequenzen gibt.

Der erste Schnee im Dezember, und die Bahn fährt drei Tage lang nicht mehr. Verstehen Sie, dass hunderttausende Pendler in Oberbayern sauer sind?

Verstehe ich schon. Aber es war ja nicht nur ein bisschen Schnee – sondern die größte Schneemenge in München seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Das war eine extreme Sondersituation in kürzester Zeit. Wenn Bäume auf die Strecke fallen, Oberleitungen reißen, ist eben ein Betrieb nicht mehr möglich.

Ja – aber wie lange? Schauen wir mal aus dem Bürofenster: Nun hat es, Stand Montagnachmittag, seit zwei Tagen nicht mehr geschneit. Trotzdem fährt kaum eine S-Bahn, die Trambahn nicht, Regionalbahnen nicht. Dauert die Auszeit nicht viel zu lang?

Es dauert zu lange. Ich werde mit der Bahn ein Gespräch darüber führen. Und ich werde das sehr niederbayerisch-deutlich sagen. Die Bahn muss sich für die Zukunft besser aufstellen. Der Eindruck trügt leider nicht: Da ist deutlich gespart worden. Es fehlt schweres Räumgerät, es fehlen Bagger, die Oberleitungen reparieren können – angeblich gibt es nur sieben geeignete Kräne für ganz Bayern. Hinzu kommt der allgegenwärtige Fachkräftemangel. Das müssen wir schon aufarbeiten. Auch in der Stadt…

…wo tagelang keine Trambahn rollt…

…muss man dem nachgehen, wo es hier hapert. Klar ist: Weder Material noch Personal haben ausgereicht.

Die Gewerkschaft EVG sagt: Das Schienennetz ist marode. Bei Schnee bricht es zusammen. Stimmt das?

Das sage ich seit über einem Jahr. Das Netz ist in Teilen marode. Und wir spüren das andauernd – jetzt im Winter, ganzjährig bei den Langsamfahrstellen. Mich ärgert das. Indirekt zahlt der Freistaat Bayern im Jahr über 700 Millionen Euro Netznutzungsentgelt. Dafür erwarte ich ein funktionierendes Netz. Leider haben auch Generationen von Bundesfinanzministern hier gespart und einen falschen Fokus auf Hauptverkehrsstrecken gelegt. Leider wiederholt auch der aktuelle Verkehrsminister Wissing diesen Fehler.

Pro Bahn sagt, es seien Abstellgleise rückgebaut worden, im Ergebnis verstopfen bei einem Ausfall Züge die Bahnhöfe. Stimmt dieser Vorwurf?

Das ist leider ein vielfaches Problem, ein Erbe aus der Zeit von Bahnchef Mehdorn und Kanzler Schröder. Um die Bilanz zu schönen, wurde vermeintlich Überflüssiges abgebaut. Das rächt sich halt. Wir müssen etwas daraus lernen: Wir sollten jetzt die Netz AG mit „Station und Service“ zusammenlegen und das als gemeinwohlorientierte Infrastruktur ausrichten. Gewinnorientiert das Netz zu betreiben, funktioniert nicht.

Schauen wir auf die Nachbarländer: In Österreich, der Schweiz, in Skandinavien schneit es auch. Dort fahren die Züge. Was machen die besser als wir?

Der Vergleich hinkt. Das sind kleinere Staaten mit weniger Strecken. Da konzentriert sich der Bahnverkehr auf wenige Haupttrassen. Bei uns in Bayern, in unserem sehr weit verzweigten Netz an Nebenstrecken, ist die Herausforderung schon anders.

Ein Blick auf die anderen Verkehrsträger: Der Flughafen war schnell wieder freigeschaufelt, die Straßen zumeist auch. Da sind Sie zufrieden?

Die Straßenräumdienste haben tatsächlich Tag und Nacht gearbeitet, das hat flächendeckend gut funktioniert. Die waren auf den Wintereinbruch eingestellt. Auch der Flughafen läuft seit Sonntag wieder, dort musste ja zusätzlich noch das Dach des Airport-Centers von der enormen Schneelast befreit werden. Ich danke allen Einsatzkräften, die das ganze Wochenende im Einsatz waren.

Wie viele Nächte hat der Verkehrsminister eigentlich auf dem Klappbett im Ministerium verbringen müssen?

(lacht) Ich habe es am Wochenende mit dem Auto nach Deggendorf und zurück nach München geschafft. Es hat allerdings 3,5 Stunden gebraucht statt 1,5 einfach.

Interview: Chr. Deutschländer

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