München – Der Redner ist in Minute 34 angekommen, Manuskriptseite 12 von 23, da horchen doch plötzlich einige Zuhörer auf. Mit drei Sätzen kündigt Markus Söder eine Überraschung an. Seine Regierung werde eine „Magnetschwebebahn untersuchen“, sagt der Ministerpräsident. Er habe eine „Teststrecke in Nürnberg zwischen Universität, Messe und Klinikum ins Auge gefasst.“ Und: „Wir trauen uns auch, in diesen Zeiten ein Bekenntnis zu neuen Technologien abzugeben.“
Ein Transrapid, ein Franken-Dransrrabid gar. Das ist ein Stück Ironie der Geschichte, denn es war Söders Vorvorgänger Günther Beckstein, der 2008 den Transrapid für München beerdigt hatte. Zu teuer, sagte er; welch kleingeistige Ambitionslosigkeit, klagten seine Kritiker.
Dass Söder das revidiert, überrascht fast alle Zuhörer seiner ersten Regierungserklärung der Amtszeit. So sehr, dass noch nicht mal den sehr zwischenruffreudigen Grünen eine direkte Replik einfällt. Die kurze Teststrecke – wenige Kilometer – soll die einst ausgemusterte Technologie aus Deutschland wieder ins Spiel bringen. Berlin hatte das jüngst für die Stadt ebenfalls angekündigt.
Söder erklärt am Pult den Koalitionsvertrag, den er im Oktober mit den Freien Wählern verhandelte. Er toppt das Bekannte mit einigen Neuigkeiten. Es soll – nochmals Nürnberg – eine erste Uni für Künstliche Intelligenz geben, die TU Nürnberg heißt dann auf gut Fränkisch „Franconian University of Artificial Intelligence“. Für Oberbayern plant er ein „Testzentrum für zukunftsweisende Raketenantriebe“. Und, als Aufreger in der Gesellschaftspolitik, will er nun doch die Gendersprache in Schule und Verwaltung im offiziellen Gebrauch verbieten.
Es ist nicht die große Geldregen-Ankündigung von kurz nach seiner Wahl 2018; die Schwerpunkte für höhere Ausgaben sind klar gesetzt auf Hightech bei konstanten Mitteln für Familien. Die CSU-Fraktion, auch fast alle Freien Wähler, reagiert mit viel Beifall auf Söders Rede.
Sehr kritisch, teils zornig, kontert die Opposition. Erstmals hat die AfD als derzeit größte Oppositionsfraktion nach Söder das erste Wort. Er heizt die Stimmung in seiner Rede noch an, bezieht sich in scharfen Worten auf die Vorwürfe gegen den jungen AfD-Abgeordneten Daniel Halemba, der derzeit auf freiem Fuß (und im Plenum) ist. „Wer ,Sieg Heil‘ in ein Gästebuch schreibt, bei dem muss im Leben wirklich etwas schiefgelaufen sein.“ Halemba gewinnt in dem Moment an Gesichtsfarbe, starrt ins Handy.
Die Replik von Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner ist zurückhaltend. Eine „Märchenstunde am Vorabend von Nikolaus“ wirft sie Söder einerseits vor, lobt andererseits, er habe beim Gendern sowie bei einem Plädoyer für die Kernenergie aus dem AfD-Programm abgeschrieben.
Härter langt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze hin. „Ihre Mondlandungen in allen Ehren“, verspottet sie Söder, „aber für den Anfang würde mir ein Zug, der fährt, schon reichen.“ Sie wirft Söder katastrophales Versagen in der Energiepolitik vor und kündigt eine kompromisslose Kontrolle der Regierung an. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn kritisiert die Regierungserklärung als „aufgewärmt“ mit „ewigen Fingerzeigen nach Berlin“ und zu wenig Visionen für Bayern.
Das deutet auf kein gutes Miteinander bis 2028 hin. Erst recht nicht, als FW-Fraktionschef Florian Streibl über Schulze sagt: „Wenn Sie ein Realo sind, möchte ich die anderen nicht kennenlernen.“
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER