Ruanda-Deal: Briten starten neuen Anlauf

von Redaktion

Abkommen soll Vorhaben juristisch wasserdicht machen – Berlin prüft Asylverfahren in Drittstaaten

London – Das Urteil des Obersten Gerichts ist gerade drei Wochen alt – nun will die Regierung in London einen Weg gefunden haben, es zu umgehen. Innenminister James Cleverly reiste am Mittwoch nach Kigali, um dort ein neues Abschiebe-Abkommen mit Ruanda zu unterzeichnen. Bedenken, die das britische Gericht beim Vorgängerdeal angemeldet hatte, würden dabei berücksichtigt, versichert Cleverlys Ministerium.

Hintergrund sind Pläne der Regierung von Premier Rishi Sunak, illegal eingereiste Asylsuchende umgehend in einen Drittstaat, Ruanda, auszufliegen. Dort sollen sie dann Asyl beantragen können, die Rückkehr nach Großbritannien ist ausgeschlossen. In erster Linie soll das dazu führen, dass sich Migranten gar nicht erst auf den gefährlichen (und auch kostspieligen) Weg nach Europa machen.

Das Gericht hatte das Vorgängerabkommen erst Mitte November kassiert und dabei auf rechtsstaatliche Defizite in Ruanda hingewiesen. Zudem äußerte es die Sorge, Kigali könnte Migranten kurzerhand in einen weiteren Staat abschieben, in dem ihnen Gefahren drohten. Das neue Abkommen soll nun die Zusicherung enthalten, dass Ruanda Menschen nicht einfach weiterschickt. Außerdem will London das Land zum sicheren Drittstaat erklären.

Die britische Regierung steht wegen hoher Flüchtlingszahlen unter Druck. Premier Rishi Sunak hatte deshalb sofort nach dem Richterspruch klargemacht, dass er gegen jeden denkbaren Widerstand am Plan festhalten werde. Er werde auch „nicht zulassen, dass ein ausländisches Gericht diese Flüge blockiert“, sagte er damals mit Blick auf ein mögliches Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Für den Fall eines Eingriffs sei er bereit, „das Nötige zu tun, um die Flüge starten zu lassen“.

Ob das neue Abkommen juristisch wasserdicht ist, dürfte man auch in Berlin aufmerksam verfolgen. Das Bundesinnenministerium prüft derzeit, ob das „Ruanda-Modell“ auch für Deutschland eine Option wäre. In der Regierung ist die Idee, Asylverfahren außerhalb der EU-Grenzen durchzuführen, allerdings umstritten – vor allem die Grünen tun sich schwer. Parteichefin Ricarda Lang lehnte das britische Modell Anfang November ausdrücklich mit dem Argument ab, es widerspreche europäischem Recht.

Fachleute wie der Migrationsforscher Gerald Knaus befürworten die Idee dagegen. Er hält Verfahren in Drittstaaten für dringend geboten und plädiert dafür, das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR damit zu beauftragen. Schon jetzt bringt es Migranten aus Libyen nach Ruanda, um dort Asylanträge zu prüfen. Es gehe darum, ein Signal an irreguläre Migranten auszusenden, sagte Knaus unlängst dem Magazin „profil“. „Dann würde die Zahl der Ankommenden und Ertrinkenden schnell fallen.“

Die Debatte findet auch andernorts statt: Dänemark etwa führte Verhandlungen über Asylzentren in Ruanda, legte sie aber Anfang 2023 vorerst auf Eis und plädierte für eine europäische Lösung. In London müssen nun beide Parlamentskammern dem neuen Vertrag zustimmen.

Artikel 3 von 11