Hängepartie beim Haushalt

Je später desto Lindner

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

Vermutlich ist man als Beobachter ja einfach nur zu naiv: Da trifft sich das Bundeskabinett zu einer Sitzung – aber schon vorab wird klargestellt: Um den Haushalt geht es dabei nicht. Jene Frage also, die derzeit jegliches Regierungshandeln unter (finanziellen) Vorbehalt stellt, wird einfach ausgespart. Nach dem Motto: Die Band der Titanic spielt weiter, während auf der Brücke blanke Panik herrscht, weil der Eisberg immer näher kommt.

Spätestens jetzt ist klar: In diesem Kalenderjahr wird der Haushalt 2024 nicht mehr sein normales parlamentarisches Verfahren durchlaufen. Das hilft zunächst einmal einem: Christian Lindner. Mit jedem Tag, an dem der Finanzminister angesichts einer nur vorläufigen Haushaltsführung die Aufsicht hat, wächst sein Einfluss. Die lieben Kollegen müssen zum Herrscher übers Geld dackeln und recht freundlich um Freigabe bitten. Kein Wunder, dass die FDP keine Eile hat und erst mal auf juristische Gründlichkeit pocht. Und es stimmt ja: Eine neue Pleite vor Gericht kann sich die Ampel nicht leisten.

Doch der Zug für parteipolitisches Kleinklein ist abgefahren. Schlimmer: Er ist entgleist. Sollten SPD, Grüne und FDP wirklich weiter regieren wollen, dann muss jede Partei über ihren Schatten springen. Und zwar nicht mit dem Trick einer neuerlichen Notlage und auch nicht mit dem Streichen wichtiger Zukunftsinvestitionen. Nein. Notfalls muss man eben die Kindergrundsicherung später einführen, auf Inlandsflüge Kerosinsteuer verlangen und bei der von Andrea Nahles geführten Bundesagentur für Arbeit eine Auszahlung des Bürgergelds durchsetzen, wie sie die Politik entscheidet. Das Argument, dafür sei es – leider, leider – zu spät, ist ein schlechter Witz.

Mike.Schier@ovb.net

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