„Zugspitze“ bröselt: Müller verlässt die Politik

von Redaktion

Manager der CSU-Landesgruppe wechselt zum Genossenschaftsverband – die Kollegen stutzen

München/Berlin – Es war ein nebelgrauer 7. Januar 2007, als in der CSU ein legendärer Zirkel entstand. Auf der Zugspitze trafen sich sieben junge, hoffnungsvolle Politiker, um ein Edmund-Stoiber-Plakat in die Kameras zu halten. Eine Geste der Solidarität mit dem damals angeschlagenen Parteichef war das. Und die Geburt des „Zugspitzkreises“. Dass man heute an das außergewöhnliche Treffen zurückdenkt, liegt an einer pikanten Personalie: Wieder einer aus dem Kreis verlässt die Politik.

Stefan Müller (48) hat am Mittwoch überraschend angekündigt, in die Wirtschaft zu wechseln. Der Bundestagsabgeordnete, Ex-Staatssekretär und frühere Chef der Jungen Union wird im Sommer neuer Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Die formalen Kriterien stimmen: gelernter Bankkaufmann und Bankfachwirt, Management-Erfahrung als Parlamentarischer Geschäftsführer („PGF“) der CSU im Bundestag; ihm traut der Verband zu, die Interessen von 197 Volks- und Raiffeisenbanken sowie 972 Unternehmen aus Agrar, Energie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen zu vertreten. Der Platz wird frei, weil Gregor Scheller in den Ruhestand tritt.

Und doch geht ein Raunen durch Berlin. Auch, weil Müller eben der nächste Abgang aus dem Zugspitzkreis ist, der sich mal reihum versprochen hatte, sich beim politischen Aufstieg zu helfen, sich jedenfalls nicht im Weg zu stehen. Schon weg ist der in der Politik komplett gescheiterten Karl-Theodor zu Guttenberg, nur noch ein bisschen da ist der nach einer Medienaffäre angeschlagene Ex-CSU-Generalsekretär Stephan Mayer. Auch Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer wird keine Neuauflage einer großen Karriere in der Bundespolitik mehr zugetraut. Nach Müller bleiben nun noch Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Parteivize Dorothee Bär und die Abgeordnete Daniela Ludwig. Ein Zugspitz-Trio, sozusagen.

Unter den Abgeordneten-Kollegen gibt es Stirnrunzeln. Müller weihte fast niemanden ein. Die ganze CSU entnahm den Wechsel am Mittwoch dem Internet. „Krasses Ding“, sagt sehr irritiert einer, der Müller eigentlich schätzt. Anzeichen von Polit-Müdigkeit gab es wenige. Müller machte zwar wenig Schlagzeilen, galt aber als souveräner und kundiger Alltags-Manager der Fraktionsarbeit. Mit Dobrindt arbeitete er eng und gut zusammen. Wenn er sich mal zu profilieren versuchte, dann mit einem kantigen Kurs – scharfe Töne zur Migration und für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein kategorisches Nein zu Beitragserhöhungen. „Sich ständig wiederholende Entgleisungen“ rügte er und forderte lautstark von den Sendern „Berichterstattung mit Weitsicht statt weltfern und woke“. Eigentlich ein Kurs, der in der Partei derzeit wieder im Kommen ist.

Frust über die harte Oppositionsbank mit Blick auf die Ampel dürfte ein Faktor für den Rückzug aus der Politik sein. Vielleicht auch die Sorge, ob der Wahlkreis Erlangen, eh strukturell nicht tiefschwarz, mal einem Neuzuschnitt zum Opfer fallen könnte. Da klingt ein Verbands-Angebot mit geschätzt kräftig sechsstelligem Salär noch verlockender. Wobei Müller auf Nachfrage sagt: kein Ampel-Frust, „ausschlaggebend war die Aufgabe und meine berufliche Verbindung zum Genossenschaftssektor“. Die Parteifreunde äußern sich schmalllippig. Oder wie Dobrindt: gar nicht.

Für die CSU ist der Abgang nicht angenehm. Einen neuen „PGF“ zu finden, ist nicht leicht. Und sie verliert 2024 einen Abgeordneten. Nach der sehr komplizierten Rechtslage rückt niemand von der Liste nach, die Landesgruppe schrumpft auf 44.

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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