München – Am Ende ging alles ganz schnell. Gegen Mittag des 16. Oktober kündigte Nancy Faeser an, bei der EU-Kommission stationäre Grenzkontrollen an Übergängen nach Polen, Tschechien und in die Schweiz anzumelden. Schon wenige Stunden später bezogen die ersten Bundespolizisten Position.
Die flotte Umsetzung war der Schlusspunkt eines Prozesses, der sich über Monate hingezogen hatte. Den ganzen Sommer hatte sich die SPD-Bundesinnenministerin trotz steil ansteigender Flüchtlingszahlen gegen feste Kontrollpunkte gesträubt, ihre Notwendigkeit infrage gestellt, auf Schleierfahndung gesetzt. Nun sind rund sieben Wochen seit der Umsetzung vergangen, und es zeichnet sich bereits eine deutliche Wirkung ab.
Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Clara Bünger geht hervor, dass die Zahl der unerlaubten Einreisen vom 1. bis 23. November im Vergleich zum Vormonat drastisch gesunken ist. 4353 Personen wurden ermittelt, von denen mehr als die Hälfte (2299) zurückgewiesen wurden. Im Oktober waren es noch 18 384 illegale Grenzübertritte gewesen – der größte Teil davon in der ersten Monatshälfte, bevor Faesers Anordnung in Kraft trat.
Der abschreckende Charakter der öffentlich breit diskutierten Maßnahme scheint sich damit zu bestätigen. Selbst an der bayerischen Grenze zu Österreich, wo stationäre Kontrollen bereits seit Herbst 2015 bestehen, ging die Zahl massiv zurück – von 6921 im Oktober auf 921, von denen 493 zurückgewiesen wurden. Die wichtigsten Herkunftsländer aller abgewiesenen Einwanderer waren die Türkei, Syrien, Afghanistan und Marokko.
Polizeivertreter bestätigen den Zusammenhang zwischen Kontrollen und sinkenden Zahlen, weisen aber auf weitere Faktoren hin. Andreas Roßkopf, bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zuständig für Bundespolizei und Zoll, erinnert zum einen daran, dass Österreich und die Slowakei ihrerseits die Grenzen zu Ungarn intensiver überwachen und es Richtung Deutschland zu einem „Domino-Effekt“ purzelnder Zahlen komme. Zudem verweist er darauf, dass rivalisierende Schleuserbanden sich zuletzt „eine heftige Auseinandersetzung geliefert“ hätte, in deren Folge das Geschäft der Schlepper nachgelassen habe. Noch immer seien aber viele Migranten auf dem Weg nach Deutschland. Früher oder später würden sie versuchen, die Grenze zu überqueren.
Thorsten Grimm, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), nennt den Streit unter Schleppern gegenüber unserer Zeitung einen „sehr interessanten Faktor“ – aber auch einen, „der uns massiv beunruhigen muss“. Der Konflikt belege, dass sich kriminelle Strukturen verfestigen und der Markt der Menschenhändler immer heftiger umkämpft sei. Weil das Geschäft der Schleuser so lukrativ sei, drohten nun ähnliche Folgen wie bei der Clankriminalität: „Wenn mehrere Akteure im Spiel sind, kommt es entweder zu Zusammenschlüssen oder es gilt das Recht des Stärkeren.“ Die jüngsten Meldungen deuten auf Letzteres hin.
Mit dem Schwenk hin zu mehr Kontrollen werde es deshalb nicht getan sein, glaubt der Unterfranke Grimm, der auch Vize des bayerischen DPolG-Landesverbandes ist: „Wenn man ehrlich ist, muss das Netz weiter verdichtet werden.“ Stationäre Kontrollen müssten einhergehen mit Schleierfahndung im Hinterland sowie Maßnahmen, „um auch die übrigen Übergänge mit abdecken zu können“. Die Meldung über die jüngsten Verschärfungen mögen kurzfristig abschrecken, dürften aber mittelfristig für Schleuser ein Impuls sein, sich verstärkt auf Nebenstrecken Richtung Deutschland zu bewegen. Grimm ist deshalb überzeugt: „Das Thema wird uns auf Dauer beschäftigen.“ mit dpa