„Omas Häuschen ist sicher“

von Redaktion

VON MARC BEYER

München/Brüssel – Auch Zugeständnisse können wie ein Sieg klingen. Als Ciarán Cuffe, der zuständige Berichterstatter des Europaparlaments, am Donnerstagabend von der Einigung auf neue Energievorgaben im Gebäudesektor berichtet, nennt er das Ergebnis „etwas Bemerkenswertes“. Mit der Reform setze man ein Zeichen gegen galoppierende Energiepreise. Man müsse „den Bürgern helfen, Geld zu sparen“.

Was der Grünen-Politiker nicht sagt: In einem zentralen Punkt hat sich die EU-Kommission am Ende nicht durchsetzen können – obwohl auch sie lange argumentiert hatte, hier ließe sich gutes Geld sparen. Doch die Ziele – 16 Prozent weniger Energieverbrauch bei Wohngebäuden bis 2030, mindestens 20 Prozent bis 2035, bei den übrigen Gebäuden 16 (2030) bzw. 26 (2033) – sind zwar immer noch ehrgeizig, aber erkennbar abgeschwächt. Die Sanierungspflicht bei privaten Häusern wird es nicht geben.

Das klang mal anders. Noch im Sommer verwies Brüssel darauf, dass der Gebäudesektor für 40 Prozent des EU-weiten Energieverbrauchs und ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sei. Häuser der besonders niedrigen Effizienzklassen sollten daher umfangreich saniert werden müssen.

In Deutschland, wo rund die Hälfte aller Häuser in den nächsten zehn Jahren betroffen gewesen wäre, war die Aufregung groß. Experten monierten eine „stille Enteignung“ der Immobilienbesitzer, die zu hohen Investitionen gezwungen würden. Der Eigentümerverband Haus  & Grund warnte vor Wertverlusten älterer Immobilien.

Nun ist die Erleichterung groß. Im Namen aller Rentner frohlockte schon unmittelbar nach der Verkündung der CDU-Sozialpolitiker Dennis Radtke: „Omas Häuschen ist sicher.“ Etwas nüchterner klang Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Der Kompromiss orientiere sich „an der Realität und überfordert weder die Familie im Einfamilienhaus auf dem Land noch den Bäckermeister mit kleiner Backstube und Verkaufsraum“. Und auch Haus & Grund ist beruhigt. Eigentümer hätten nun die „notwendige Flexibilität“, ihr Haus bis 2045 umzubauen.

Die konkrete Ausgestaltung wird nun Sache der EU-Staaten sein. Das birgt in Deutschland immer das Risiko, dass sich die Ampelparteien mal wieder verhaken. Schon bei der ursprünglichen Version der Gebäuderichtlinie gab es die üblichen Fronten. FDP-Chef Christian Lindner nannte sie unter wirtschaftlichen und sozialen Aspekten „enorm gefährlich“, SPD und Grüne waren lange für die Sanierungspflicht. Letztlich einigte man sich erst im Zuge der Verhandlungen um das Gebäudeenergiegesetz.

Mit Blick auf dieses Projekt ist der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber dann auch vorsichtig in seiner Bewertung. Den Bürgern sei zwar „der nächste Gebäudehammer“ erspart geblieben, dennoch müsse man „aufpassen, dass hier die Ampel-Regierung nicht den Bogen in der nationalen Umsetzung überspannt“, sagte er unserer Zeitung. Bereits beim Heizungsgesetz hätten „Habeck & Co. ihren Übereifer bewiesen“.

Wie das „Handelsblatt“ berichtet, war Deutschland nun aber eine treibende Kraft bei der Abschwächung der Richtlinie. Aus internen Verhandlungsunterlagen gehe hervor, dass sich die Bundesregierung für ein „ausgewogenes Verhältnis zwischen Ehrgeiz und Flexibilität für die Mitgliedstaaten“ einsetzte. Auch die Münchner EU-Abgeordnete Henrike Hahn (Grüne) spricht von einem „Balanceakt“. Hier die Gestaltungsfreiheit der EU-Mitglieder, dort der „engagierte Versuch, Energieeffizienz, Klimaschutz und Kosteneindämmung unter einen Hut zu bringen“.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nahm das Ergebnis dann auch ernüchtert auf. Eine zentrale Maßnahme für Klimaschutz sei leider „zum Bettvorleger degradiert“ worden.  mit afp

Artikel 1 von 11