Niemand taucht so sorg- und schamlos hinter dem eigenen Tellerrand ab wie Viktor Orbán. Russlands Krieg gegen die Ukraine sei nicht Ungarns Krieg, predigte er lange, um den hilfsbereiten EU-„Partnern“ dann bei jeder Gelegenheit ein Bein zu stellen. Inzwischen fordert er recht unverblümt, das angegriffene Land fallen zu lassen und lobbyiert dafür, wie der „Guardian“ schreibt, sogar in Washington.
Dass ein Mitgliedstaat derart offen gegen die EU und ihre Sicherheitsinteressen arbeitet, ist beispiellos und erfordert eine Reaktion, die über das rituelle Murren hinausgeht. Bisher ließ Brüssel Orbán das beschämende Theater durchgehen, weil Ungarn die Hilfs- und Sanktionspakete am Ende doch mittrug. Aber darauf ist kein Verlass mehr. Orbán scheint bereit zur Eskalation, an ihm könnten diese Woche neue Milliarden-Hilfen für Kiew genauso scheitern wie die Aufnahme von Beitrittsgesprächen. Er spielt mit der Einigkeit der EU und lässt Putin vom Sieg träumen. Einen besseren Agenten könnte sich der Kreml kaum vorstellen.
Orbán darf damit nicht durchkommen, die Zeit der Milde ihm gegenüber muss enden. Sollte er nicht einlenken, gehört die Freigabe gesperrter Gelder (zehn Milliarden Euro) gestoppt, auch sollte sich Brüssel dann mit dem Gedanken an eine Suspendierung Ungarns befassen. Der Punkt ist erreicht, an dem sich die EU gegen ihre inneren Feinde wirksam zur Wehr setzen muss. Alles andere verstünden Kreml-Groupies von Wilders bis LePen als Aufforderung.
Marcus.Maeckler@ovb.net