Warschau – Mateusz Morawiecki presst die Lippen so fest zusammen, dass sein Mund zu einem Strich wird. Dann ist auch der letzte Akt überstanden: Bei der Vertrauensabstimmung im Parlament ist Morawieckis neue nationalkonservative PiS-Regierung mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Die Abgeordneten der bisherigen Opposition skandieren: „Donald Tusk! Donald Tusk!“
Damit geht eine Polit-Posse zu Ende, mit der Polens Nationalkonservative fast zwei Monate lang das Land in Schach gehalten und das Ansehen der Demokratie ramponiert haben, um ihren Abschied von der Macht möglichst lange hinzuziehen. In zwei Sälen eines Warschauer Großkinos wurde die unterhaltsame Parlamentssitzung sogar live übertragen – bei Popcorn und Cola.
Noch am Morgen vor seinem sicheren Scheitern im Parlament hatte Morawiecki in seiner mehr als einstündigen Regierungserklärung ein rosiges Bild von Polens Zukunft im Kreis der führenden Länder der Weltwirtschaft gezeichnet. Anschließend befragten ihn die PiS-Abgeordneten ausgiebig zum „Programm einer Regierung, die es nie geben wird“, wie der Sender TVN kommentierte. Die PiS tat so, als könne sie einfach weiterregieren.
Dabei waren die Wähler am 15. Oktober mit einer Rekordbeteiligung zu den Wahlurnen geeilt, um ihrer Unzufriedenheit mit den seit 2015 regierenden Nationalkonservativen Luft zu machen. Und seit acht Wochen ist eigentlich allen klar: Die PiS ist abgewählt, ein Oppositionsbündnis um den ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk hat gewonnen.
Trotzdem trickste die PiS mithilfe des von ihr gestellten Präsidenten Andrzej Duda, um alle Fristen auszunutzen. Duda vergab den Auftrag zur Regierungsbildung an den PiS-Politiker und bisherigen Ministerpräsidenten Morawiecki und vereidigte dessen Kabinett – wohlwissend, dass diese Übergangsregierung nur zwei Wochen im Amt bleiben würde. Eine teure Show: Nach Berechnungen des Politmagazins „Polityka“ kosten allein die Gehälter für die zahlreichen Zwei-Monats-Minister den Steuerzahler insgesamt rund 74 000 Euro.
Sogar der eigentliche Machtwechsel zieht sich nun in mehreren Schritten über drei Tage hin. Nach Morawieckis Scheitern ist das Parlament an der Reihe. Tusk wurde gestern Abend mit 248 von 449 Stimmen – seine liberalkonservativen Bürgerkoalition – gewählt. Heute will er seine Regierungserklärung abgeben und die Minister vorstellen. Nachmittags folgt eventuell noch eine Vertrauensabstimmung. Duda will sich bis Mittwoch Zeit lassen, um das Kabinett zu vereidigen.
Die neue Regierung steht vor vielen Herausforderungen. Eines der drängendsten Probleme ist die Blockade von Grenzübergängen zur Ukraine durch polnische Fuhrunternehmer. Sie sehen ihr Geschäft durch die billigere Konkurrenz aus dem Nachbarland gefährdet. Der Streit belastet das Verhältnis der Ukraine zu Polen, das seit Beginn des russischen Angriffskriegs zu Kiews wichtigsten Verbündeten gehörte.
Auch im Verhältnis zu Berlin und Brüssel gibt es viel zu tun. Denn die PiS lag wegen ihrer Justizreform im Dauerclinch mit der EU-Kommission, die Bundesregierung nervte sie mit ihrer Forderung nach Weltkriegsreparationen in Billionenhöhe. Tusk und seine Mitstreiter dagegen stehen für einen proeuropäischen Kurs und eine versöhnlichere Politik gegenüber Berlin. Der 66-jährige Danziger war schon von 2007 bis 2014 Regierungschef. Er pflegte damals ein gutes Verhältnis zu Angela Merkel (CDU). Bereits Ende der Woche will Tusk nach Brüssel zu einem EU-Gipfel fliegen, wo es um weitere Hilfe für die Ukraine geht.