Gerangel bis in den frühen Morgen

von Redaktion

Die CSU spottet, Merz fordert die Vertrauensfrage – und beim Thema Migration gibt es neuen Ärger

München/Berlin – Um exakt 5.07 Uhr ist der Kraftakt vollbracht. Der Durchbruch im Haushaltsstreit war so ungeduldig erwartet worden, dass mancher Beobachter den Teilnehmern nun nicht mal mehr eine kurze Ruhepause zugestehen will. Offenbar müssten sich die Ampel-Vertreter „erst mal frisch machen“ und würden das Land noch Stunden zappeln lassen, spottet CSU-Generalsekretär Martin Huber am Vormittag im Nachrichtendienst X: „Kann man sich nicht ausdenken.“

Obwohl das Ergebnis nach sehr harter Arbeit aussieht, sind die Beteiligten bemüht, es als Produkt eines konstruktiven Miteinanders erscheinen zu lassen. Aus allen drei Parteien sind am Mittag Worte wie „Vertrauen“ und „Verlässlichkeit“ zu hören. „Diese Koalition ist handlungs- und einigungsfähig, auch bei sehr schwierigen Aufgaben“, betont Finanzminister Christian Lindner (FDP). Man habe „vertrauensvoll und vertraulich“ verhandelt, meinte Kanzler Olaf Scholz (SPD).

Ob dennoch, wie die Opposition spekuliert, die Fliehkräfte der gegensätzlichen Interessen diese Koalition endgültig zerlegen werden? An diesem Tag ist eher zu hören, dass die Verhandlungen, so kontrovers sie gewesen sein mögen, in einem vernünftigen, zu keinem Zeitpunkt böswilligen Ton geführt worden seien. Es scheint, als hätten die Herausforderungen der vergangenen Wochen die Ampel nicht weiter gespalten. Ob die gemeinsame Anstrengung sie im Gegenteil sogar einen kann, ist eine andere Frage. Aber das demonstrative Bemühen, es so erscheinen zu lassen, ist an diesem Tag klar zu erkennen.

Wenig überraschend sind die Reaktionen der Opposition trotzdem vernichtend. Das sei keine „Regierung im Arbeitsmodus, sondern eine Selbsthilfegruppe mit Gedächtnislücke“, sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Bundestag. Auch aus der bayerischen Staatsregierung setzt es Kritik. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagt: „Die angekündigten Beschlüsse zum Haushalt sind ein Weiterwursteln, kein Durchbruch.“

CDU-Chef Friedrich Merz fordert Scholz schließlich auf, die Vertrauensfrage im Parlament zu stellen – allerdings nicht wegen des Haushaltsstreits: Fast gleichzeitig mit der Einigung in dieser Frage wird bekannt, dass ein Maßnahmenpaket zur Migrationspolitik in diesem Jahr nicht mehr verabschiedet werden kann, weil die Ampel sich noch nicht einig ist. Wie die „Bild“ berichtet, sperren sich die Grünen in zentralen Punkten, etwa bei der Verlängerung des Abschiebegewahrsams von zehn auf 28 Tage. Sie fordern demnach nun, dass jedem Abzuschiebenden auf Staatskosten juristischer Beistand gewährt werde. Damit wäre die 28-Tage-Frist wohl nicht mehr zu halten. Auch bei den Verhandlungen zum neuen Staatsbürgerschaftsrecht käme es somit zu Verzögerungen. Beide Projekte waren aneinander gekoppelt.

Für weiteren Streit ist damit gesorgt, kaum dass der eine beigelegt ist. Auf Merz’ Ruf nach der Vertrauensfrage reagiert Scholz in der ARD gleichwohl verschnupft. Es handle sich um „eine etwas missglückte Mackergeste“ des CDU-Chefs. Für die Vertrauensfrage gebe es keinen Anlass „Vielleicht wünscht sich Herr Merz, dass das anders ist. Und deshalb pfeift er laut im Walde.“ MARC BEYER

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