Die Kritik Joe Bidens an Israels „willkürlichen Bombardements“ des Gazastreifens stellt einen Wendepunkt in der Entwicklung dieses Krieges dar. Natürlich hat die harte Wortwahl des US-Präsidenten auch innenpolitische Gründe, weil es bei den US-Demokraten eine starke pro-palästinensische Bewegung gibt. Aber Biden distanziert sich auch deshalb von der israelischen Regierung, weil er die weltweite Stimmung nicht ignorieren kann und will, die das Leid der palästinensischen Zivilisten zunehmend unerträglich findet. Die Attacke des US-Präsidenten auf Benjamin Netanjahu, der keine Zweistaaten-Lösung wolle, zeigt zudem, wie zerrüttet das persönliche Verhältnis zwischen den beiden Regierungschefs ist.
Diese Kritik an der Perspektivlosigkeit der Palästinenser-Politik Netanjahus teilen auch immer mehr Israelis, denen klar ist: Jede Rakete, die ein Kind tötet, schafft Extremisten der künftigen Generation. Israel muss die Hamas besiegen, das ist richtig – und es wäre naiv zu glauben, dass dies ohne zivile Opfer möglich ist, zumal die islamistische Terror-Armee die palästinensischen Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht. Aber Netanjahus Kurs gefährdet auch die 137 israelischen Geiseln, die immer noch in den Fängen der Hamas sind. Viele Israelis vermissen bei Netanjahu echte Empathie für diese Hamas-Opfer. Wenn seine Regierung nun ernsthaft erwägt, die Tunnel zu fluten, bedeutet das: Die Geiseln werden geopfert. Damit würde Netanjahu nicht nur die Unterstützung der Welt, sondern auch seiner eigenen Bevölkerung endgültig verspielen.
Klaus.Rimpel@ovb.net