Wie Netanjahu der Hamas zu Geld verhalf

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Israels Regierung gerät immer mehr in Bedrängnis: Erst vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass die Regierung schon lang den Gefechtsplan der Hamas bis ins Detail kannte – und ihn ignorierte. Nun enthüllt die „New York Times“, dass israelische Behörden auch über die Finanzströme der Terroristen Bescheid wussten. Bereits 2018 entdeckten Sicherheitsbeamte demnach die Geldquellen der Hamas. Doch auch diese Info wurde ignoriert.

Dem Bericht zufolge gelang es den israelischen Agenten vor fünf Jahren, auf die Dokumente eines hochrangigen Hamas-Funktionärs zuzugreifen. Dabei bekamen sie Einsicht in Konten mit Vermögenswerten im Wert von hunderten Millionen Dollar. Die Hamas kontrollierte offenbar Bergbau-, Geflügelzucht- und Straßenbaufirmen im Sudan, Zwillingstürme in den Vereinigten Arabischen Emiraten, einen Immobilienentwickler in Algerien und eine Immobilienfirma, die an der türkischen Börse notiert war.

Die „New York Times“ bezeichnet die Unterlagen als „potenziellen Wegweiser“, um der Hamas das Geld abzuschneiden und ihre Pläne zu vereiteln. Die Agenten teilten sie mit der israelischen Regierung sowie mit Washington. Doch keines der Unternehmen, das in den Konten auftauchte, wurde sanktioniert. Es wurde auch kein Druck auf die Türkei ausgeübt – obwohl sich das Zentrum des Hamas-Finanznetzwerks offenbar dort befindet.

„Alle sprechen von Geheimdienstfehlern am 7. Oktober, aber niemand spricht über das Versagen, das Geld zu stoppen“, sagte Udi Levy, der für den israelischen Geheimdienst Mossad tätig war. Das Geld habe den Anschlag der Hamas erst ermöglicht, so der Ex-Leiter der Abteilung für Wirtschaftskriegsführung. Das Portfolio der Hamas soll zu Spitzenzeiten einen Wert von etwa einer halben Milliarde Dollar gehabt haben. Levy habe bereits im Jahr 2015 mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu persönlich über die Finanzen der Hamas gesprochen. „Aber es war ihm egal.“ Levys Team, die Task Force Harpoon, wurde daraufhin geschlossen.

Als Netanjahu dann 2018 Einsicht in die Bücher der Hamas erhielt, habe er der „New York Times“ zufolge Katar dazu ermutigt, noch mehr Geld in den Gazastreifen zu schicken: Demnach habe er darauf gesetzt, dass das Geld Stabilität und Frieden nach Gaza bringen würde. Eine stabile Hamas wiederum würde den Druck auf ihn verringern, über einen palästinensischen Staat zu verhandeln. Doch damit lag er offensichtlich falsch: Geld, das nach Gaza gelangte, wurde für militärische Zwecke genutzt.

Die Erkenntnisse aus den Hamas-Büchern wurden schnell auch von Saudi-Arabien bestätigt. Mitte 2018 verhafteten die Saudis den Buchhalter der Hamas, Mahmoud Ghazal. Auch sie teilten ihr Wissen mit Washington. Doch die Regierung unter Ex-Präsident Donald Trump reagierte auch darauf nicht.

Die „Welt“ berichtete bereits im August 2021 über das Finanzimperium der Hamas. Demnach habe der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten zwar ursprünglich in Saudi-Arabien gelegen – nachdem die Saudis aber mit der Hamas gebrochen hatten, soll die Terrorgruppe ihre Geschäfte immer mehr in die Türkei verlegt haben. Die meisten Firmen des Hamas-Konglomerats seien mittlerweile mit dem Bauunternehmen Trend Gyo in Istanbul verbunden, das auch an die Börse gegangen ist. Offen bleibt, wie genau sich Präsident Recep Tayyip Erdogan über die Hamas-Geschäfte in seinem Lande im Klaren ist. Bisher bestand jedenfalls kein Interesse daran, die Aktivitäten der „Befreiungsgruppe“, wie er sie nennt, einzuschränken.

Artikel 4 von 11