Berlin/München – Die Einigung der Ampel-Partner SPD, Grüne und FDP in der Haushaltskrise ist noch keine Woche alt – und schon stellen Vertreter aller drei Seiten mühselig errungene Kompromisse wieder infrage. Vor allem um Agrardiesel, Kerosinsteuer und E-Autos wird gekämpft. Die Folgen, so sagt ein erkennbar alarmierter Vizekanzler Robert Habeck, sind noch nicht absehbar.
„Wenn jetzt einzelne Streben herausgezogen werden, ohne neue einzusetzen, fällt die Gesamtlösung in sich zusammen. Das heißt, wer an einer Stelle Änderungen wünscht, muss eine abgestimmte und für alle Seiten tragfähige Gegenfinanzierung anbieten“, sagte er.
An den „Streben“ wird in der Tat eifrig gezerrt. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese will den Haushaltskompromiss in den Bundestagsberatungen bei den E-Autos nachverhandeln. Dabei geht es vor allem um das abrupte Ende der Kaufförderung. Den Haushalt stelle der Bundestag auf. „Und darum werden wir uns sämtliche Vorschläge jetzt auf der Strecke anschauen.“
Mit Ablauf des Sonntags konnten keine neuen Anträge mehr für den Umweltbonus beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gestellt werden. Nur bereits zugesagte Förderungen werden gezahlt. Anträge, die noch bis einschließlich 17. Dezember 2023 beim Bafa eingegangen sind, werden in der Reihenfolge ihres Eingangs weiterbearbeitet. Wer bereits ein Auto gekauft, aber noch keine Förderung beantragt hat, geht damit leer aus.
Von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) und aus der FDP-Fraktion kam heftige Kritik an den Plänen zur Streichung von Steuervergünstigungen für Landwirte. In der ARD warnte Özdemir vor Nachteilen für deutsche Landwirte im internationalen Wettbewerb. Beim Agrardiesel gebe es keine Alternativen für Bauern. „Wir reden über schwere Maschinen, die kann man nicht einfach auf Elektro umrüsten.“ Er habe Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) alternative Sparvorschläge gemacht. Auch Fraktionschef Christian Dürr kündigte ein Veto an: „Die FDP-Fraktion hält die starke Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe für nicht zustimmungsfähig.“
Finanzminister Lindner hat selbst auch einen Punkt, mit dem er hadert: Er hinterfragt die Steuererhöhung auf Kerosin für Inlandsflüge. Das könne eine „Wettbewerbsverzerrung“ sein zulasten deutscher Airlines, sobald es um Zubringerflüge zu Langstreckentrips etwa von München oder Frankfurt gehe. Das werde „in der fachlichen Umsetzung“ genau analysiert, deutete Lindner an.
SPD-Chef Lars Klingbeil schlug derweil eine Ausweitung der Pendlerpauschale vor. „Ich bin dafür, dass wir die Debatte darüber führen, sie anzuheben und dafür zu sorgen, dass die arbeitende Bevölkerung entlastet wird“, sagte er der „Bild“. Beim Haushaltskompromiss der Koalition sei klar: „Da sind Belastungen für die arbeitende Mitte drin. Da bin ich auch nicht glücklich darüber.“
Die Pendlerpauschale wird bei der Berechnung der Einkommensteuer für die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz abgezogen. Sie beträgt 30 Cent pro Kilometer, ab dem 21. Kilometer 38 Cent.
Alle wollen was. Wer will sparen? Der Corona-erkrankte Kanzler Olaf Scholz (SPD) lässt über seinen Regierungssprecher beschwichtigen, er sehe wenig „Änderungswillen“ innerhalb der Bundesregierung. Die Regierung sei sehr entschlossen, Details würden gerade noch geklärt. M. HERZOG/C. DEUTSCHLÄNDER