Bundestagswahl wird in Berlin teilweise wiederholt

von Redaktion

Am 11. Februar wird in 455 Bezirken neu abgestimmt, Linke und Wagenknecht behalten Mandate

München – In Berlin rechneten sie lange mit dem Schlimmsten. Ende Juli etwa stellte Landeswahlleiter Stephan Bröchler ein Video ins Netz, in dem er über seine Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht sprach. Auch jetzt wisse er nicht, wann und in welchem Umfang die Bundestagswahl in der Hauptstadt wiederholt werden müsse, sagte er. Man bereite sich auf das „Maximal-Szenario“ vor.

Seit gestern weiß man, dass es ganz so weit nicht kommen wird. Berlin muss die Bundestagswahl 2021 zwar wiederholen, aber nur teilweise. Gut ein Fünftel der 2256 Wahlbezirke sind betroffen, urteilten die Richter in Karlsruhe (Az. 2 BvC 4/23). Als Termin ist der 11. Februar 2024 angesetzt.

Der Wahltag soll auch der Schlussstrich unter einer beispiellosen Pannen-Geschichte sein: Als das Land am 26. September 2021 einen neuen Bundestag wählte, brach in Berlin stellenweise Chaos aus. Stimmzettel waren fehlerhaft oder fehlten ganz, es gab zu wenige Kabinen, viele Bürger warteten stundenlang vor ihren Wahllokalen. Gut 70 Lokale mussten zeitweise schließen, hatten dann über 18 Uhr hinaus geöffnet, als Prognosen längst publik waren. Dass parallel ein Marathon stattfand, erschwerte manchem den Weg zum Wahllokal.

Schon im Februar musste deshalb die Berliner Abgeordnetenhauswahl komplett wiederholt werden, was zur Abwahl des bis dahin regierenden Linksbündnisses führte. Die Folgen für den Bundestag werden allerdings überschaubar sein. „Allenfalls verliert ein Abgeordneter sein Direktmandat, die politischen Auswirkungen der Neuwahlen werden aber gering ausfallen“, sagte der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter. Die Ampel werde von alledem „nicht betroffen sein“.

Das Urteil freut besonders die „Linke“. Deren Abgeordnete hatten akute Sorge, nach all den Verwerfungen der vergangenen Wochen und Monate nun komplett aus dem Parlament zu fliegen. Eingezogen waren die Linken nur, weil sie 2021 trotz schwachen Gesamtergebnisses (4,9 Prozent) drei Direktmandate gewannen, zwei davon in Berlin (Gregor Gysi und Gesine Lötzsch). Über die „Grundmandatsklausel“ zogen deshalb 39 Abgeordnete in den Bundestag ein. Im Fall einer kompletten Neuwahl hätte das ganze Konstrukt zusammenbrechen können.

Die Gefahr ist vom Tisch. „Mit dem Urteil ist klar, dass wir im Bundestag bleiben und unsere Aufgabe als soziale Opposition weiter wahrnehmen werden“, sagte der ehemalige Fraktionschef Dietmar Bartsch am Dienstag. Die Gruppe um die Ex-Linke Sahra Wagenknecht kann ebenfalls aufatmen. Auch sie bleibt.

In Karlsruhe geklagt hatte die Unions-Fraktion im Bundestag – für sie ist es nach dem Haushaltsurteil ein weiterer Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht – wenn auch nur ein kleiner. Ziel war es, in rund der Hälfte der Wahlbezirke neu abstimmen zu lassen. Das Gericht lehnte das ab, korrigierte aber einen Beschluss des Bundestags leicht nach oben. Der hatte Ende 2022 eine Wahlwiederholung in 431 Bezirken beschlossen – nun sind es 455.

Weder lange Wartezeiten noch eine Stimmabgabe nach 18 Uhr seien per se ein Wahlfehler, urteilten die Richter am Dienstag. Beides werteten sie aber als Indizien für eine unzureichende Planung.

Drei Tage nach dem Berliner Chaos übernahm die damalige Landeswahlleiterin Petra Michaeli die Verantwortung und trat zurück. Ihr Nachfolger Bröchler sagte, nun begännen die Schritte für eine „erfolgreiche Wiederholungswahl“. Berlins Regierender Bürgermeister nannte die zweite Wiederholungswahl binnen eines Jahres eine „große Kraftanstrengung“. Bröchler vertraue er aber voll und ganz.  mmä/afp

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