Selenskyjs Fernduell mit Putin

von Redaktion

Russland will noch mehr Soldaten für den Ukraine-Krieg gewinnen – Kiew sieht Mobilisierung als heikle Frage

Kiew/Moskau – Knapp zwei Jahre nach Russlands Einmarsch in die Ukraine haben die Staatschefs beider Länder in dem Krieg jeweils Erfolge für sich reklamiert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verwies bei seiner großen Pressekonferenz zum Jahresende auf abgewehrte Angriffe entlang der Front. „Russland hat in diesem Jahr keine Erfolge erzielt“, sagte Selenskyj in Kiew. Das ostukrainische Gebiet Donezk zum Beispiel habe Moskau weiter nicht komplett erobern können. Stattdessen habe die Ukraine die Kontrolle über das westliche Schwarze Meer weitgehend wieder hergestellt.

Einige Stunden zuvor hatte sich Kremlchef Wladimir Putin vor Vertretern seines Verteidigungsministeriums zufrieden mit dem Kriegsverlauf gezeigt. Als Erfolg präsentierte er dann aber vor allem, dass es dem Westen nicht gelungen sei, Russland eine strategische Niederlage in der Ukraine zuzufügen. Das Ziel sei zerschmettert worden durch die „wachsende Kraft unserer Streitkräfte und Rüstungsproduktion“, sagte Putin vor Militärs und Vertretern aus Politik, Kirche und Gesellschaft.

Zugleich räumte er ein, dass der Krieg gegen die Ukraine Probleme in der russischen Verteidigung aufgezeigt habe. So brauche Russland mehr Drohnen, eine bessere Flugabwehr und ein modernes Satellitenkommunikationssystem. Unmittelbar vor Putins Auftritt schoss die russische Flugabwehr nach Militärangaben im Moskauer Gebiet eine ukrainische Drohne ab.

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte bei der Sitzung in Moskau, die Ukraine habe inzwischen 383 000 Soldaten durch Tod oder Verwundung verloren. Die Angaben sind nicht unabhängig überprüfbar. Die Ukraine wiederum gibt die Zahl der Verluste in den russischen Reihen aktuell mit 348 000 Soldaten an. Auch das ist nicht zu verifizieren.

Schoigu sagte auch, dass die Zahl der Freiwilligen im kommenden Jahr um mehr als 250 000 auf rund 745 000 Vertragssoldaten steigen solle. Gelockt werden die Russen zum Kriegsdienst demnach weiter mit einem vergleichsweise hohen Sold von umgerechnet rund 2000 Euro im Monat.

Für die Ukraine wiederum ist die Mobilisierung neuer Soldaten nach Worten von Selenskyj eine teure und politisch heikle Frage. „Die Frage der Mobilisierung ist eine sehr sensible“, sagte Selenskyj bei seiner Pressekonferenz. Die Armee habe 450 000 neue Soldaten angefordert. Eine zusätzliche Mobilmachung in diesem Umfang erfordere etwa 500 Milliarden Hrywnja (12,2 Milliarden Euro). Für ihn sei es zudem wichtig, wer von den bisher kämpfenden Soldaten dann ein Recht auf Erholung und Heimaturlaub bekomme. Es werde ein komplexer Plan ausgearbeitet für diese Rotation.

Zudem zeigte sich Selenskyj zuversichtlich, dass sein Land ungeachtet aktuell stockender westlicher Hilfen künftig sowohl von den USA als auch von der EU weiter unterstützt werde. „Ich bin überzeugt davon, dass die USA uns nicht verraten werden“, sagte er. Auch mit Blick auf ein derzeit von Ungarn blockiertes EU-Finanzpaket in Höhe von 50 Milliarden Euro zeigte sich der Staatschef optimistisch. H. WAGNER, A. STEIN, F. KOHLER, U. MAUDER

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