VON GEORG ANASTASIADIS
Die Menschen in der Ukraine stehen vor einer traurigen zweiten Kriegsweihnacht. Während Russlands Präsident Putin die grausamen Bombardements wieder aufnimmt, um die erschöpfte Zivilbevölkerung von der Wärmeversorgung abzuschneiden, versuchen die Soldaten in ihren Gräben zunehmend verzweifelt, die Front zu halten. Und die Verbündeten im Westen? Die haben jetzt Anderes zu tun: In Gaza ist Krieg. In den USA sind bald Wahlen. Und die deutsche Ampelregierung, die anstelle Washingtons die Verbündeten zur Verteidigung Europas gegen die Tyrannei antreiben müsste, kämpft zur Freude Putins nur noch ums eigene Überleben. Ohne Munition und moderne Waffen aber werden auch die hunderttausendfach in den Westen geflohenen ukrainischen Männer, die Kiew jetzt richtigerweise zum Wehrdienst verpflichten will, das Blatt nicht wenden können gegen den zum Äußersten entschlossenen Kremlherrscher.
Der Unterschied ist: Für Putin geht es ums physische Überleben – für Kanzler Scholz und US-Präsident Biden nur um das politische. Das erklärt deren Halbherzigkeit. Die weinerliche Debatte hierzulande klingt manchmal so, als trage nicht die Ukraine die schwerste Kriegslast, sondern das dem billigen Putin-Gas hinterhertrauernde Deutschland. Anders als zur Mitte des vorigen Jahrhunderts gibt es heute keinen Churchill in Europa. Doch sollte sich in der schlafwandelnden EU niemand irgendwelchen Illusionen hingeben: Fällt die Ukraine, dann erleidet der Westen insgesamt eine strategische Niederlage. Das hätte unabsehbare Folgen für die Stabilität unseres Kontinents und unser aller Sicherheit. Ein Sieg Russlands wäre ein Triumph der Barbarei über die Freiheit und für andere autoritäre Herrscher eine Ermutigung, es Putin gleichzutun und Nachbarländer zu überfallen. Für den Zyniker im Kreml wäre es der Beweis, dass es dem großmäuligen und stets moralisierenden Westen eben doch an Charakter fehlt.
Der Ukraine zu viel zum Sterben, aber zu wenig zum Leben zu geben: Das war, diktiert von der Russlandfraktion in der SPD, vom ersten Tag des Überfalls an der Kern der Scholz-Doktrin. Auch sie steht am Ende des Jahres 2023, so wie die gesamte Ampelpolitik, vor dem Scheitern.
Georg.Anastasiadis@ovb.net