Sorge vor Krawallen wächst

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München/Berlin – Der Videoclip erinnert an Szenen aus einem Actionfilm: Brennende Barrikaden, Schüsse aus Schreckschusspistolen, Raketen fliegen auf Einsatzfahrzeuge. „Fahr weg, fahr weg!“, hört man einen Sanitäter über Funk schreien. Dann werden zwei Polizisten und ein Feuerwehrmann eingeblendet. „Bitte respektiert unsere Arbeit“, sagt eine Polizistin, die sich als Anna vorstellt. „Greift uns nicht an.“

Die Film-Ausschnitte zeigen die letzte Silvesternacht in Berlin. Damals kam es in mehreren Stadtteilen zu heftigen Ausschreitungen. Junge Menschen haben Böller und Steine auf Beamte und Helfer geworfen. Diesmal will die Polizei besser auf Krawalle vorbereitet sein – nicht nur mit einem Großaufgebot, sondern auch mit einem Appell in den Sozialen Medien. Das Video, in dem die Berliner Einsatzkräfte darum bitten, nicht zum Opfer von Gewalt zu werden, wurde auf der Plattform X fast 300 000 Mal angesehen.

Die Botschaft soll die Menschen pünktlich zum Verkaufsstart von Böllern und Raketen erreichen. Seit gestern dürfen Händler Pyrotechnik an Feuerwerk-Fans herausgeben. In Berlin-Weißensee sollen Menschen sogar sechs Stunden lang mit Camping-stühlen und warmen Getränken auf der Straße gewartet haben, bis der Verkauf dann um Mitternacht losging, berichtet die „Bild“. Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) rechnet in diesem Jahr mit einer ähnlich hohen Nachfrage wie 2022. Da hatte die Branche einen Rekordumsatz von 180 Millionen Euro erzielt.

Der Böller-Enthusiasmus besorgt Polizei und Politik. Denn die Gewalt gegen Einsatzkräfte scheint generell zuzunehmen. Einer Umfrage zufolge ist fast jeder zweite ehrenamtliche Feuerwehrler in den letzten zwei Jahren Opfer von Gewalt geworden – dazu gehören neben Angriffen auch Beleidigungen und Bedrohungen. Das geht aus einer Befragung des Deutschen Feuerwehrverbandes hervor. „Es handelt sich um ein massives Problem“, heißt es in der Auswertung. 14 Prozent der Befragten gaben an, mit Feuerwerkskörpern beworfen worden zu sein.

„Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die das tun, auch mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden“, sagt der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands, Karl-Heinz Banse. „Da hapert es noch.“

Bundesweite Zahlen zur Gewalt gegen Einsatzkräfte in diesem Jahr liegen noch nicht vor. Vom bayerischen Innenministerium heißt es aber bereits: „Es gibt wohl einen weiteren Anstieg der Fallzahlen beim Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte.“ Ein Sprecher der Feuerwehr München sagt, dass es für sie „sehr alarmierend“ sei, wenn „Berliner Kollegen darum werben müssen, dass nicht auf Feuerwehrleute losgegangen werden soll“. In Berlin habe sich in den letzten Jahren die Situation sicherlich insgesamt zugespitzt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte davor, dass Krawalle durch den Gaza-Krieg zusätzlich angeheizt werden könnten. Auch die Gewerkschaft GdP stellt sich auf massive Polizeieinsätze ein. In der Gesellschaft sei „etwas auseinandergelaufen“, sagte der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke. „Darauf müssen wir endlich reagieren.“ Die Polizei werde an den Brennpunkten mit einem „massiven Personaleinsatz“ vor Ort sein. „Wer versagt hat, ist die Politik“, sagte Kopelke. Er fordert ein Böllerverkaufsverbot sowie mehr Spielraum für die Polizei, „um konsequent gegen die Beteiligten der Gewaltexzesse einschreiten zu können“. mit dpa

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