München – Vor einer Woche hat das Statistische Bundesamt den Bürgern mal wieder tief ins Sektglas geschaut. 267,8 Millionen Liter Schaumwein wurden demnach 2022 getrunken, im Schnitt kam jede Person ab 16 Jahren auf 38 Gläser. Statistische Erhebungen können kompliziert sein, aber in diesem Fall war die Berechnung ganz simpel. Pro verkaufter Sektflasche fallen in Deutschland – je nach Alkoholgehalt – 38 Cent oder 1,02 Euro Steuer an, zu 99 Prozent gilt der höhere Satz. Insgesamt nahm der Staat auf diese Weise 352 Millionen Euro ein.
Die Schaumweinsteuer, wie sie von Amts wegen heißt, ist ein perlender Anachronismus. Erhoben wird sie seit 1902, damals diente sie zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte. 1933 wurde sie ausgesetzt, aber schon sechs Jahre später wieder eingeführt, erneut mit militärischem Beigeschmack. Diesmal war es vor allem die U-Boot-Flotte, in deren Ausbau die Sektmillionen flossen. Später diente sie dann der Beseitigung von Kriegsschäden, und irgendwann entfiel der konkrete Verwendungszweck. Die Steuer aber blieb.
In diesen Tagen, wo die Sektgläser ein bisschen öfter klirren, drängt sich manchem die Frage auf, ob das so noch zeitgemäß ist. „Die kaiserliche Flotte liegt seit mehr als einem Jahrhundert auf dem Grund des Skagerrak“, spöttelt Till Mansmann, Entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Seine Partei spricht sich schon lange für die Abschaffung der Sekt- und insgesamt aller Bagatellsteuern aus. Die 352 Millionen Euro klingen nach viel, machen aber tatsächlich nur 0,04 Prozent der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden aus. Sie einzutreiben, argumentiert Mansmann, sei bürokratisch so komplex, dass sich der Aufwand finanziell kaum lohne.
Auch die Linke ist für eine Abschaffung, aber aus anderem Grund. Sie hält die Steuer für ein „Symbol des Militarismus“. Der Bund der Steuerzahler moniert hingegen, dass der Sekttrinker doppelt geschröpft werde. Die Steuer betreffe schließlich „alkoholische Produkte, die bereits der allgemeinen Umsatzsteuer unterliegen“.
Große Hoffnung, das Relikt des Kaiserreichs zeitnah zu entsorgen, hat Mansmann aber nicht. Dazu müsse eine umfassendere Steuerreform her, „was gerade in Zeiten angespannter Haushaltslagen eine große Herausforderung darstellt“. Eine Regierung, die gerade erst Wochen benötigte, um ihren Etat wieder ins Lot zu bringen, wird nicht mit leichter Hand auf ein paar Sektmillionen verzichten. In Gesprächen mit Ampelvertretern, berichtet Mansmann, erfahre man als FDP-Politiker ohnehin regelmäßig, „dass die Abschaffung jeder Steuer von unseren Koalitionspartnern abgelehnt wird“. Der Kampf gegen die Bagatellabgaben bleibe gleichwohl „Fernziel liberaler Steuerpolitik“.
Da hilft es auch nichts, dass das Finanzministerium ausgerechnet vom FDP-Chef geleitet wird. Ein Sprecher verweist darauf, dass Christian Lindner, selbst wenn er wollte, die Schaumweinsteuer gar nicht so einfach abschaffen könne. Sie gehöre zu den „innerhalb der EU harmonisierten Verbrauchsteuern“. Das gleiche Vorgehen in allen Mitgliedstaaten diene dazu, „das reibungslose Funktionieren des EU-Binnenmarktes zu gewährleisten“. Eine Abschaffung scheide daher „EU-rechtlich aus“.
Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Im Steuerrecht gibt es eine feine Unterscheidung zwischen einer Abschaffung – und einer Absenkung auf null. Die Steuer bleibt dann bestehen, sie wird nur nicht mehr erhoben. Österreich ist diesen Schritt vor drei Jahren gegangen, die jährliche Entlastung für die heimischen Produzenten wird auf rund 25 Millionen Euro geschätzt.
Theoretisch wäre das auch in Deutschland möglich, tatsächlich aber werden die Deutschen weiterhin für ihren Sekt ein bisschen mehr zahlen müssen. Generell, teilt das Finanzministerium mit, seien „Änderungen an der Schaumweinsteuer derzeit nicht geplant“.